Die geheime Welt der Frauen
dass es Ihnen offensichtlich nicht gut geht.«
Timna erstarrte. »Sie haben mit Shai gesprochen?«
»Ich habe seine Nummer in Ihrem Adressbuch gefunden …«
»Sima …«
»Ich hab nachgesehen, als Sie neulich bei Lev oben waren.«
»Was?«
Sima sah Timna an, und ihr dämmerte, was sie getan hatte. Sie hatte endlich die Wende für Timna herbeigeführt, ihr wieder zu Alon zurückverholfen, doch nur, um damit alles für immer zu zerstören.
»Sima, was meinen Sie damit, Sie haben mit Shai gesprochen? Was haben Sie ihm gesagt?«
Timna starrte sie an und wartete auf eine Antwort. Sima wartete auch, wünschte, sie könnte sich in Luft auflösen, die Zeit zurückdrehen, alles ungeschehen machen.
»Sima, sagen Sie mir …«
»Timna«, begann sie mühsam und zwang sich zu sprechen. »Timna, ich war besorgt.« Sie holte tief Luft, ihr war heiß - Schweißperlen standen auf ihrer Oberlippe, und sie schwitzte unter den Achseln.
»Sie waren besorgt, also haben Sie …«
»Ich war besorgt, ich bin besorgt. Sie haben ausgesehen, als ginge es Ihnen nicht gut, Timna, und Sie waren die ganze Zeit so müde, und Sie haben auf meine Fragen nicht geantwortet …«
»Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, Sima. Warum mussten Sie so etwas tun?«
»Ich hab doch gerade gesagt, weil …«
»Ich bin kein Kind mehr.«
»Sie sind ganz allein hier …«
»Ich bin nicht Ihr Kind.«
Sima senkte den Blick und sah auf das Knopfloch, das mit marineblauem Garn eingefasst war. »Ich weiß, ich weiß.« Es klang wie ein Winseln. Komm zurück, wollte sie sagen. Komm zurück zu mir, geh nicht weg, geh nicht weg.
»Sie haben Shai angerufen. Ich glaub’s nicht - was haben Sie sonst noch getan? Meine Eltern angerufen? Mich nach Hause verfolgt?«
Sima riss die Augen auf. Voller Angst dachte sie nur noch an Abwehr. »Nein«, protestierte sie, »nein, ich habe nie …«
»Also, was haben Sie zu ihm gesagt?«
Sima versuchte, ihre Erleichterung zu verbergen: Timna hatte es nicht ernst gemeint, hatte nichts mitbekommen. »Ich hab nur gesagt, dass ich mir Sorgen mache, weil es Ihnen nicht gut zu gehen schien, und ob Sie ihm gegenüber irgendetwas in der Art erwähnt hätten. Ich habe gefragt, ob es irgendetwas gäbe, das ich tun könnte. Ich wollte helfen, Timna, nur …«
»Und was hat er darauf geantwortet?«
»Nichts. Er wusste nicht, wovon ich rede.« Sie schwieg einen Moment. »Und dann sagte er, er habe Sie schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen. Timna, bitte, ich war doch nur …« Ihre Unterlippe zitterte wie bei einem Kind. Einfach so, einfach so, wurde ihr Timnas Baby, Timnas Liebe gestohlen.
Timna wandte sich zum Gehen. Sima sagte nichts, aber Timna blieb an der Tür stehen. Dreh dich um, dachte Sima, den Blick auf ihren zitternden Rücken gerichtet, sieh mich an.
Timna drehte sich um.
»Sima, ich weiß, dass Sie mir helfen wollten.«
Sima nickte - ja, ja. Sie spürte, wie eine Wärme in ihr aufstieg - Timna verstand sie, würde ihr vergeben, würde sie nicht diesem quälenden Schmerz überlassen.
»Sie hatten recht mit Alon - ich hatte Angst. Aber wissen Sie was?«
Sima wartete, hoffte sogar verzweifelt auf Timnas Kritik - was immer sie ihr geben würde, ihr wäre alles recht.
»Sie sind genauso.« Timna öffnete die Tür und drehte sich noch einmal um. »Halten Sie sich aus meinem Leben raus, Sima. Halten Sie sich aus meinem Leben raus, und kümmern sie sich stattdessen um Ihr eigenes.«
Timna verschwand in die Nacht hinaus: auf die Gehsteige, die jetzt mit schmutzigem, von Salz und Sand durchsetztem Schnee bedeckt waren. Als sich die Tür hinter ihr schloss - ein heftiger Ruck, aber kein Zuknallen -, ging Sima zur Treppe und setzte sich wie betäubt nieder. Timna war gegangen, voller Zorn. Sima legte die Hände in den Schoß und betrachtete die blauen Venen, die sich unter ihrer blassen Haut abzeichneten. Sie schloss die Augen, legte die Hände ans Gesicht, drückte die Zeigefinger an die Augenwinkel und atmete tief ein und aus, wie man es beim Yoga machte, wie Timna ihr erklärt hatte. Sie spürte, dass es wirkte: All ihre Angst strömte mit der ausgeatmeten Luft aus ihr heraus. Timna war wütend gegangen, aber es zählte nur, dass sie, Sima, gewonnen hatte: Alon war zurück, Timna war in Sicherheit.
Dennoch war eine Leere in ihr, die der Atemfluss nicht ausfüllte. Denk an etwas Schönes, sagte sie sich und versuchte, sich an jene Szene beim Eislaufen zu erinnern, an die Fotos von Timna und Alon im Park. Sie
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