Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die geheime Welt der Frauen

Titel: Die geheime Welt der Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilana Stanger-Ross
Vom Netzwerk:
die bei dem Kompliment den Kopf schüttelte. Sima grinste, hoch erfreut über den lockeren, wissenden Austausch, aber Timna wandte sich kurz darauf ab und senkte den Kopf, als sie die Träger von Sylvies BH zurechtrückte.
    »Warten Sie hier«, sagte Sima zu Rachel, »ich bringe Ihnen ein paar BHs, damit Sie sehen können, was Ihnen gefällt.« Sie ging zur Leiter, hakte sie unter dem Regal mit der Hochzeitsausstattung fest - alles in Weiß mit extra viel Stickerei - und stieg langsam hinauf. Als sie Timnas Lachen hinter dem Vorhang der Umkleide hörte - »Okay, ich verspreche, Ihren Enkelsohn anzurufen, wenn ich je in Chicago sein sollte« -, wurde sie an jenen Abschnitt aus dem Buch der Sprüche erinnert, den Ehemänner ihren Frauen jeden Freitagabend vorlasen und den
Lev ihr leicht befangen in den ersten Jahren ihrer Ehe vorgelesen hatte. »Eine gute Frau«, so fing es an, eine »Ayshet Chayal«, und dann folgte die Aufzählung von Sparsamkeit, Bescheidenheit und Reinlichkeit, genau die Tugenden der perfekten Hausfrau Anfang der Sechzigerjahre, die sie gewesen war. Der Abschnitt endete mit jenem erstaunlichen Satz, den Sima nie verstanden hatte. Während sie jetzt Timnas Lachen hörte, fiel ihr dieser Satz plötzlich wieder ein: »Es gibt viele tapfere Frauen in Israel, aber du übertriffst sie alle.«
    Sima stand auf der Leiter, hielt sich an den Regalen fest und versuchte zu lernen loszulassen.

    Nachdem die Kundinnen gegangen waren, ebenso wie Timna - obwohl nichts geklärt und den ganzen Tag nichts Intimeres als ein wissender Blick zwischen ihnen ausgetauscht worden war -, blieb Sima im Laden. Sie zog einen Bürostuhl an den Ladentisch und beugte sich über die grün linierten Seiten ihres Rechnungsbuchs. Es verging eine halbe Stunde, eine Dreiviertelstunde. Sie hörte Lev oben herumgehen, und sein ungleichmäßiger Schritt erinnerte sie an die Geier in den Naturfilmen, die am Himmel kreisten, während sie auf den Tod eines Opfers warteten, damit sie sich auf die Überreste stürzen konnten. Sie dachte: Soll er nur warten.
    Bevor Timna ging, hatte sie erneut versucht, darüber zu reden, was passiert war. Sie hoffte, sie könnte ihr Tun erklären und Timna zwingen, endlich ein Geständnis abzulegen. »Nun«, hatte sie begonnen, nachdem Timna eine Entschuldigung erneut abgewehrt hatte, »wenn Sie wirklich wissen wollen, warum ich besorgt war …« Aber Timna unterbrach sie und sagte nur: »Jetzt ist alles vorbei«, und wechselte schnell das Thema: Sie und Nurit planten einen Ausflug nach Boston, und was Sima ihnen empfehlen würde, anzusehen?

    Sima hatte zögernd geantwortet und fragte sich, noch während sie die Newbury Street und die öffentlichen Parks beschrieb, was Timna mit »alles vorbei« meinte. »Ich sehe Sie dann morgen?«, fragte Sima, als Timna eine bunte Wollmütze aufsetzte. »Natürlich«, antwortete diese, als ob nichts geschehen wäre. Sima beobachtete, wie Timna zur Tür ging und dabei ihren Kunstpelzmantel zuknöpfte. Konnte es sein, dass sie dünner geworden war, fragte sich Sima, und wenn ja, wann war das passiert? »Fühlen Sie sich immer noch gut?«, fragte Sima, als Timna an der Tür stehen blieb, um ihre roten Handschuhe anzuziehen. »Sie wirken irgendwie gesünder.«
    Timna blickte zu ihr auf und schüttelte langsam den Kopf. »Sima«, sagte sie und drückte die Tür mit der Schulter auf, »es reicht.« Sie nahm zwei Stufen auf einmal - wann hatte sie das letzte Mal solche Energie gezeigt, fragte sich Sima - und verschwand erneut in die Nacht.
    Sima sah ihr nach und sagte nichts. »Zumindest ist sie nicht verärgert«, betonte Connie, als Sima anrief und sie rasch über den neuesten Stand der Dinge informierte - über ihren Streit und dass sie Timna nicht dazu gebracht hatte, irgendetwas preiszugeben. Sima stimmte zu, ja, Gott sei Dank, obwohl sie etwas Schlimmeres bei Timna vermutete als Ärger - Mitgefühl vielleicht oder Nachsicht, wie man sie Verrückten entgegenbrachte. Als Connie über ihr Online-Dating zu reden begann - »Du hast ja keine Ahnung, Sima, wie viel alleinstehende jüdische Männer es dort draußen gibt. Und kannst du dir das vorstellen, mein eigener Enkelsohn hat mir gezeigt, wie man es macht?« -, fand Sima eine Ausrede, um aufzulegen.
    Sie war eine ganze Stunde im Laden gewesen, da hörte sie, wie Lev die Tür öffnete und langsam die Treppe herunterkam, wo er auf der Hälfte stehen bleiben und sie zu ihm hinaufrufen
würde, komm nicht runter, ich bin schon auf

Weitere Kostenlose Bücher