Die geheimen Jahre
rührte sich nicht. Ellen Dockerill, mit der sie als Kind Fangen gespielt hatte, hatte geknickst.
Sir William gesellte sich kurz vor dem Abendessen zu ihnen.
»Das hier ist Thomasine, Pa«, sagte Nicholas. »Wir sind heute nachmittag von London raufgefahren.«
Sir William ergriff Thomasines Hand. »Willkommen auf Drakesden Abbey. Wie schön, euch beide zu sehen. Ein Sherry, meine Liebe? Umwerfend hübsches Kleid.«
Thomasine trug das meergrüne Fortuny-Kleid, das Nicholas ihr in Paris gekauft hatte. »Das war mein Hochzeitskleid, Sir William.«
Sir William schenkte ihr einen anerkennenden Blick. »Marjorie muÃte den ganzen üblichen Plunder haben â weiÃes Kleid und bodenlangen Schleier. Sicher hat sie das Ding seither nie mehr getragen. Aber das war ja auch schon 1915.«
»Es ist sehr kleidsam«, sagte Lady Blythe. »Wenn auch nicht sonderlich traditionell , William.«
Nicholas hatte sich eine Zigarette angezündet. »Paris ist anders, Mama. Du würdest nicht glauben, was da alles abläuft.«
Lady Blythe lächelte immer noch. »Daran hege ich keinerlei Zweifel, Nicky.«
»Damals in Rom â¦Â«, sagte Sir William unbestimmt.
Lady Blythe wandte sich wieder Thomasine zu. »Oh, nur auf ein Wort.« Sie zog Thomasine ein wenig beiseite. »Ich nehme an, du hast dir Feuer machen lassen in deinem Zimmer und ein heiÃes Bad genommen?«
Thomasine nickte verwirrt.
Lady Blythe sprach leise und vertraulich. »Nun, wenn du das in Zukunft bitte lassen könntest. Es macht dem Personal sehr viel Arbeit, und man darf die Leute einfach nicht so belasten, vor allem nicht zu einer so ungünstigen Tageszeit. AuÃerdem hatten wir nie Feuer in den Schlafzimmern. Nie.«
Hinterher erschien Thomasine der Abend als eine Abfolge unangenehmer und peinlicher Momente. Beim Essen erkundigte sich Sir William nach seiner jüngeren Tochter.
»Nicht gerade geübt, wennâs ums Schriftliche geht, unsere Lally. Da hat man sie auf schrecklich teure Schulen geschickt, aber mit der Rechtschreibung klapptâs immer noch nicht. Wahrscheinlich schlägt sie ihrem Vater nach, fürchte ich.«
»Belle kümmert sich um sie.« Nicholas, der wuÃte, daà Belles Dienste als Anstandsdame allenfalls vorübergehend und schlimmstenfalls gar nicht existierten, wich dem Blick seines Vaters aus. »In Biarritz, glaube ich.«
»Trifft sich ja groÃartig«, antwortete Sir William anerkennend, »daà ihre Cousine einspringt. Ich hatte immer das Gefühl, daà man das arme Mädchen um seine Debütantinnenbälle und alles betrogen hat.«
Lady Blythe erwiderte: »Lally wollte nicht bei Hof vorgestellt werden, William. Das weiÃt du. Viele Mädchen wollen das heutzutage nicht mehr. Und Reisen kann für ein Mädchen ihres Alters nur von Vorteil sein. Sie hat Glück, daà Isabel bereit ist, sich um sie zu kümmern.«
Appetithäppchen, Fischgang, Entrée, Hauptgang, Dessert und pikante Nachspeise. Konversation über London,Paris, Italien, die Riviera. Ãber Freunde und Verwandte der Blythes, von denen Thomasine einige kannte, die meisten jedoch nicht. Erinnerungen an Nicholasâ Kindheit und Schulzeit. Thomasine, die unter dem glänzenden Besteck auswählen muÃte, wählte das falsche und hatte schlieÃlich für ihr Dessert nur ein Messer übrig. Lady Blythe lächelte nachsichtig und schickte den Diener ins Anrichtezimmer, um neues Besteck zu holen. Nicholas und sein Vater unterhielten sich bei einem Glas Portwein über Pferde, Autos und Landwirtschaft. Als sie im Salon allein waren, fragte Lady Blythe Thomasine über das Haus in Chelsea, die Möblierung und das Dienstpersonal aus.
»Nur zwei Dienstboten, meine Liebe? Eine Köchin und ein Mädchen?«
»Wir essen viel auswärts«, erklärte Thomasine.
»Aber die Londoner Restaurants sind doch so teuer ⦠Und der Qualität des Essens ist auch nicht immer zu trauen, findest du nicht? Vor dem Krieg lieÃen wir uns jeden Tag mit der Bahn frische Produkte aus Drakesden schicken, wenn wir die Saison in der Stadt verbrachten. Dann konnte man wenigstens sicher sein. Wir haben nie in Restaurants gespeist. Nicky hatte als Kind einen sehr empfindlichen Magen â¦Â«
Der Diener erschien mit dem Kaffeetablett.
»Natürlich haben wir während des Krieges alle gelitten.« Lady Blythe begann, den
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