Die geheimen Jahre
genommen, stimmtâs? Sie fühlt sich wahrscheinlich hintergangen.«
Während des ganzen Abends waren all ihre Zweifel über die Hochzeit wieder zurückgekommen. Sie muÃte sich zwingen, die nächste Frage zu stellen. »Und du, Nick? Fühlst du dich hintergangen? Bereust du, was du getan hast?«
»Nein. Natürlich nicht.« Sie sah in seinen Augen, daà er die Wahrheit sagte. »Wie kannst du so was fragen? Es war alles perfekt. Das ist es immer noch â oder wäre es, wenn ich kein solcher Versager wäre.«
Sie schüttelte den Kopf und drückte seine Hand. »Es braucht nur ein biÃchen Zeit, das ist alles. Das ist nicht ungewöhnlich.« Bei Dr. Stopes hatte sie gelesen, daà viele junge Paare Schwierigkeiten hatten, eine Familie zu gründen. Weil sie unwissend und ungeduldig waren und weil es einfach Zeit brauchte, bis sich zwei Menschen aneinander gewöhnten.
In der Stille konnte sie den Wind hören. Kalte Luft drang ins Zimmer, und die Vorhänge flatterten leise. Als sie wieder auf Nicholas zurückblickte, sah sie, daà er sich mit gesenktem Kopf von ihr abgewandt hatte.
»Bleib heute nacht hier, Nick. Bitte.«
Sie streckte die Hand aus und berührte ihn an der Schulter. Als er sich umdrehte, küÃte sie seine gerunzelte Stirn, bis er schlieÃlich lächelte.
Am nächsten Morgen wachte Thomasine früh auf. Eine Bedienstete, die auf leisen Sohlen hereingekommen war, hatte bereits einen Krug mit heiÃem Wasser auf den Waschtisch gestellt. Ohne Nicholas zu wecken, stand sie auf und zog sich an.
Als sie durchs Haus ging, fiel durch die hohen Fenster Sonnenlicht ein, das sich in Rechtecken auf dem Boden spiegelte und die Farben der Bilder und Möbel freundlicher, weniger bedrückend wirken lieÃ. Sie erkannte, daà sie letzten Abend ziemlich albern gewesen war. Nicholas hatte recht: Lady Blythe haÃte sie nicht. Sie nahm nur die hastige Heirat ihres Sohnes übel, und verständlicherweise störte sie der Standesunterschied zwischen ihm und ihrer neuen Schwiegertochter. Es lag an Thomasine zu beweisen, daà ihr Sohn keinen Fehler gemacht hatte, Patricia Thornes Tochter zu heiraten.
Nach dem Frühstück spazierte sie mit Sir William durch den Garten. Der Himmel war strahlend blau und wolkenlos. Sonnenlicht glänzte auf dem Rasen und verwandelte die Tautropfen in tausend bunte Diamanten. Sir William deutete mit dem Spazierstock auf die Koppel.
»Es wird behauptet, man könne die Anlage der alten Abtei noch erkennen. Ich selbst kann sie nicht sehen. Das ganze Gemäuer wurde von Heinrich VIII. abgerissen, als er die Klöster abschaffte, und irgendein glücklicher Blythe war zur Stelle, um sich die Reste anzueignen. Als Junge hab ich in der Erde herumgebuddelt, um nach verborgenen Schätzen zu suchen. Natürlich hab ich nie was gefunden.« Er schmunzelte und reichte Thomasine den Arm.
Sie gingen durch die Schattenkegel der Rotbuche, der Schuppentanne und der Zeder. Die Abbey lag neben ihnen, und an vielen Fenstern waren noch die Vorhänge vorgezogen. Auf der anderen Seite fiel der Rasen nach unten ab und ging schlieÃlich in Koppel und Farmland über. Sie kamen an den Geräteschuppen, den Treibhäusern und dem Strauchgarten vorbei.
Sir Willam machte mit dem Kopf ein Zeichen in Richtung der Schuppen. »Früher haben hier ein Dutzend Männer gearbeitet. Vor dem Krieg. Sie waren mit Beschneiden und Pfropfen, mit dem Pflanzen von Setzlingen und Eintopfen beschäftigt. Jetzt gibt es nur noch Dilley und den Jungen. Dilley ist inzwischen fast siebzig.«
Die Lorbeerhecke endete, und vor ihnen öffnete sich der Weg ins Labyrinth. Zweige mit frisch ausgeschlagenen Blättern bildeten ein Dach. Das Gras am Boden war lang und naÃ. Nur ab und zu brach das Sonnenlicht durch, warf helle Flecken auf die alte Ziegelmauer und lieà Spinnweben und Brombeerdornen aufblitzen.
Als sie das Tor sah, stieà Thomasine einen kleinen Freudenschrei aus. »Oh! Der geheime Garten. Könnten wir �«
»Probier, ob die Tür aufgeht, meine Liebe. Ich glaube nicht, daà sie verschlossen ist.«
Sie drückte die Klinke herunter. Langsam und ein wenig knarzend sprang die Tür auf. Thomasine ging durch den Garten, der vor ihr lag. Die Rosenbeete, die Rasenflächen und die Statuen waren unverändert.
»Er ist vollkommen«, sagte sie. »Für mich war dieser
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