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Die geheimen Jahre

Titel: Die geheimen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Garten immer vollkommen.
    Â»Mein Vater hat ihn angelegt.« Im Gehen schlug Sir William mit seinem Stock das hohe Gras zurück. »Das war sein Hobby, Gärten anlegen. Seine Leidenschaft, könnte man sagen. Ich erinnere mich, als ich ein Junge war, waren die Gärten der Abbey wundervoll. Aber jetzt ist alles schrecklich verwildert. Dilley und der Junge schaffen es gerade noch, den Vorder- und den Gemüsegarten in Ordnung zu halten, aber der hier … hat seit Jahren keine Sense mehr gesehen. Letzten Winter versuchte ich selbst, die Rosen zurückzuschneiden, aber dieses verdammte Rheuma … entschuldige, Thomasine.«
    Sie lächelte ihn an. »Er ist immer noch schön. Und die Rosen knospen bereits.«
    Er pflückte eine der halb offenen Blüten und reichte sie ihr. Sie war blaßrosa und duftete köstlich. »Albertine. Meine Lieblingsrose. Viel schöner als diese gräßlichen modernen Züchtungen ohne Duft. Eines der wenigen Dinge, über die Gwennie und ich uns einig sind, was die Gärtnerei anbelangt.« Er ließ den Blick seiner dunklen Augen, Nicholas’ Augen, durch den ummauerten Garten schweifen. »Ich bin froh, daß du ihn vor dem Krieg gesehen hast, als er noch in Blüte stand. Davon könnt ihr eines Tages euren Kindern erzählen.«
    Sie steckte sich die Rose ins Knopfloch.
    Sir William fügte hinzu: »Das Haus ist jetzt natürlich zu groß für uns. Wir sollten es eigentlich verkaufen, wie alle andern auch. Aber ich mag es eben, und bald genug wird es ohnehin Nicholas gehören. Es wäre nicht recht, sein Erbe zu verschleudern.«
    Sie waren bei der Statue des Feuerdrachen angekommen. Der Farn, hinter dem einst die gestohlene Weinflasche stand, war dank des Wassers, das aus dem Drachenmaul tropfte, höher und dichter geworden.
    Â»Es war der Krieg, weißt du«, sagte Sir William. »Der arme Junge war sehr krank nach dem Krieg.«
    Sie roch den Duft der Albertine-Rose in ihrem Knopfloch und hörte nur das leise Flüstern des Windes in den Bäumen. Sie wartete stumm, daß er fortfuhr.
    Â»Nicholas wurde an der Somme verwundet. Seine Arme wurden buchstäblich zerfetzt – sie sahen schrecklich aus. Er wurde für das Militärverdienstkreuz vorgeschlagen, weißt du. Wir waren so stolz auf ihn, Gwennie und ich. Aber irgendwie … war er danach nicht mehr derselbe … kam nicht mehr zur Ruhe … schien manchmal gar nicht richtig dazusein  …« Sir William brach die welke Blüte einer Rose ab und zerrieb die trockenen Blätter zwischen den Fingern.
    Sie hatte sich schon so lange darauf gefreut. Seit über einem Jahr – seit Geralds Tod – hatte sie nicht mehr allein mit ihrem jetzt einzigen Sohn gesprochen. Gestern mußte sie ihn mit dieser Thorne teilen (sie brachte es nicht über sich, sie in Gedanken als »Thomasine« oder »Nicholas’ Frau« zu bezeichnen).
    Wie üblich verbrachte Lady Blythe die Stunden nach dem Frühstück mit Briefeschreiben und dem Zusammenstellen der Menüs mit der Köchin. Um zehn Uhr klopfte Nicholas an ihre Tür. Sie umarmte ihn und strich ihm mit einer Hand das wirre Haar aus der Stirn.
    Â»Hast du gut geschlafen, Nicky?«
    Er nickte. »Wie ein Stein.«
    Â»Es ist so schön, daß du nach Drakesden kommen konntest, Nicky. Wir brauchen dich so sehr.«
    Er blinzelte und zündete eine Zigarette an. »Ging’s Pa denn wirklich so schlecht? In deinen Briefen hast du nur von leichtem Rheuma gesprochen …«
    Sie schenkte zwei Tassen Kaffee ein und goß Sahne hinein. »William leidet unter dem feuchten kalten Wetter. Im Frühjahr konnte er kaum gehen, deshalb haben wir dich nicht schon früher nach Drakesden eingeladen. Es wäre niederschmetternd für dich gewesen.«
    Er blickte beklommen drein. »Aber es ist … es ist doch nichts – Ernsteres? «
    Sie lachte kurz auf und reichte Nicholas eine Tasse. »Aber nein, überhaupt nicht. Nur lästig und deprimierend. Du mußt dir keine Sorgen machen.«
    Â»Es ist nur … nun, ich war ein bisschen schockiert, als ich gestern die Einfahrt rauffuhr. Drakesden ist heruntergekommen, nicht wahr? Vielleicht … weil ich es schon eine Weile nicht mehr gesehen habe …«
    Â»Wir kriegen keine Männer, Nicky. Auch keine Mädchen. Sie scheinen heutzutage alle lieber im Büro zu arbeiten.« Lady Blythe

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