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Die geheimen Jahre

Titel: Die geheimen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Kaffee einzuschenken. »Aber man muß doch ein gewisses Niveau halten, nicht wahr?«
    Thomasine konnte nur nicken. Drakesden Abbey, das sie aus ihrer Kindheit als licht und angefüllt mit Schätzen in Erinnerung hatte, erschien ihr jetzt düster und bedrückend. Die korallenfarbenen Wände im Salon wirkten im Kerzenlicht blutrot und waren mit Verzierungen, Ahnenporträts und Fotos überladen. Gesichter früherer Blythes starrten sie an, als sie ihren Kaffee umrührte. Sie mußte Lady Blythe bitten, ihre letzte Frage zu wiederholen.
    Â»Ich sagte, ihr müßt doch sicher einen Diener haben?«
    Thomasine schüttelte den Kopf. Endlich fühlte sie sich auf halbwegs sicherem Boden. »Männliches Dienstpersonal ist seit dem Krieg schwer zu bekommen, Lady Blythe.«
    Â»Aber das Automobil … Es sind doch so anfällige Maschinen …«
    Â»Nicholas bastelt gern an Autos herum. Er würde das von niemand anderem machen lassen wollen.«
    Lady Blythe runzelte die Stirn. Sie stellte ihre Tasse ab und murmelte vertraulich: »Er hat es vielleicht nicht erwähnt, aber der arme Nicky war nach dem Krieg ziemlich krank. Eine ganz schreckliche Erfahrung für uns alle. Ich glaube, Nicholas ging Geralds Tod fast genauso nah wie mir. Nicky muß immer noch aufpassen, damit er sich nicht überanstrengt. Er sieht ziemlich angegriffen aus, findest du nicht auch?«
    Thomasine bekam kein Wort heraus. Sie rührte heftig ihren Kaffee um, so daß ein Teil der Flüssigkeit in die Untertasse schwappte. Lady Blythe gab dem wartenden Diener ein Zeichen, und ein sauberer Unterteller aus glänzendem, goldgerändertem Porzellan wurde herbeigebracht.
    Als sie am Ende des Abends die Treppe hinaufgingen, flüsterte Nicholas: »Das war doch gar nicht so schlecht, oder?«
    Thomasine wartete, bis sie in ihrem Schlafzimmer war und Nicholas, der ihr ins Zimmer gefolgt war, die Tür hinter sich geschlossen hatte.
    Â» Es war gar nicht so schlecht? Nick – sie haßt mich!« Man hatte ihnen Kerzen zur Beleuchtung mitgegeben. Thomasines Kerze flackerte, als sie sie auf den Schreibtisch stellte.
    Nicholas blinzelte. »Unsinn, Liebling. Ihr habt während des ganzen Essens angeregt miteinander geplaudert. Ich finde, ihr seid doch glänzend miteinander ausgekommen.«
    Sie starrte ihn an. »Hast du keine Augen im Kopf?«
    Er sah sie verwirrt an. »Um was zu sehen?«
    Â»Daß deine Mutter nichts vergessen hat. Ach, Nick – sei doch nicht so naiv. Für sie bin ich immer noch ein Mädchen aus dem Dorf. Und dann war da schließlich noch die Sache mit dem Feuerdrachen.«
    Er hatte sich auf einen Stuhl gesetzt. Das Feuer war schon lange ausgegangen, und das Zimmer war ungemütlich kalt.
    Â»Also das ist wirklich Unsinn«, antwortete Nicholas. »Mama hat den Feuerdrachen seit Jahren nicht mehr erwähnt. Ich schätze, sie hat ihn vergessen.«
    Thomasine setzte sich aufs Bett und zog die kalten Füße unter sich. Ihrer Meinung nach hatte Lady Blythe nichts vergessen, und der alte Haß schimmerte immer noch in den kornblumenblauen Augen. »Sie haßt mich«, sagte sie erneut.
    Die Kerzen bildeten gelbe Lichtkreise in der Dunkelheit. Nicholas rieb sich die Augen. »Es ist einfach ihre Art. Mama ist sehr formell – altmodisch wahrscheinlich. Manchen Leuten erscheint das abweisend. Aber in Wirklichkeit hat sie nur versucht, dir die Befangenheit zu nehmen. Ich hatte befürchtet, es würde viel schlimmer sein. Sie hat sich doch den ganzen Abend mit dir unterhalten.«
    Â»Herumgestichelt hat sie«, zischte Thomasine. »Angedeutet, daß ich mich nicht richtig um dich kümmere. Mich vor dem Dienstpersonal zum Narren gemacht. Mich getadelt, weil ich vor dem Abendessen ein Bad genommen und im Kamin Feuer machen lassen habe.«
    Nicholas lachte. »Das hast du getan, wirklich? Im Schlafzimmer ? Ich hätte die Gesichter der Bediensteten sehen wollen. Seit Jahrzehnten ist in den Schlafzimmern nicht mehr geheizt worden. Mich wundert, daß die Kamine nicht abgebrannt sind.«
    Er erhob sich, nahm die Kerze aus Thomasines Hand und stellte sie auf den Nachttisch. Dann setzte er sich neben sie.
    Â»Du kannst nicht erwarten, daß es so leicht für sie ist, Thomasine. Mama hätte sich eine große Hochzeit mit allem Drum und Dran für mich gewünscht. Wir haben auf ihre Gefühle auch keine Rücksicht

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