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Die geheimen Jahre

Titel: Die geheimen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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damit er Blythe-Land kaufen konnte?«
    Â»Ja.«
    Als er sich umdrehte, sah sie den tiefen Haß in seinen Augen. Er überraschte sie fast, aber dann spürte sie eine Woge des Glücks, der Erleichterung in sich aufsteigen. Sie wußte, daß ihnen dies immer gemeinsam wäre: das Bedürfnis, Drakesden Abbey vor dem Zugriff anderer zu schützen.
    Â»Das ist untragbar«, sagte er.
    Â»Ja«, antwortete sie schlicht. »Völlig untragbar.«
    In diesem Jahr brach der Sommer alle Rekorde. Der Juli 1921 war der trockenste seit Menschengedenken. Die Deiche und Gräben trockneten völlig aus, und es gab keinen Regen, den man in Wassertonnen hätte sammeln können. Die Blätter der empfindlicheren Pflanzen verbrannten in der heißen Sonne, und das Laub verdorrte und wurde gelb.
    Als er eines Nachmittags mit dem Fahrrad aus Ely zurückfuhr, dachte Daniel, wie komisch es war, daß sich seine Arbeit heute um zuviel Wasser gedreht hatte, nicht um zuwenig. Er hatte am Mittag in einer Gastwirtschaft vor einer Versammlung gesprochen, bei der hauptsächlich Entwässerungsexperten, Grundbesitzer und Farmer anwesend waren. Er versuchte, sie darauf aufmerksam zu machen, daß Drakesden mit seinen unzureichenden und schlechtreparierten Deichen und Gräben große Gefahr drohte.
    Aber sie hörten nicht zu. Verständlicherweise waren sie mit dem momentanen Problem der Wasserknappheit beschäftigt. Und sie ließen sich allzuleicht von den Sorgen der Grundbesitzer und Farmer ablenken, die sich um fallende Getreidepreise, hohe Hypotheken und steigende Kosten drehten. Diese Probleme betrafen Daniel genauso, obwohl er in gewisser Hinsicht ein wenig besser dastand als die meisten anderen. Nachdem er vorausgesehen hatte, was passieren würde – daß die Regierung die Weizenpreise nicht mehr stützen würde –, hatte er sich bereits umgestellt und Kartoffeln, Wurzelgemüse und Obst angebaut. Und Hattie, die liebe Hattie, verlangte keine Zinsen für das Geld, das sie ihm geliehen hatte.
    Daniel stieg vom Fahrrad und schob es auf der wackeligen Planke über den Deich. Im Moment befand sich kein Wasser darin, nur eine dicke Schicht aus feuchtem Schlamm an manchen Stellen. Gestrandete Aale sah man darin. Beim Anblick der sich windenden, schwärzlichen Leiber wurde ihm übel, so daß er stur nach vorn blickte und das Rad noch schneller schob. Dann begann er, den trockenen, zerfurchten Pfad hinunterzufahren.
    Er würde überleben, dachte er. Er müßte andere Möglichkeiten finden, auf die Überschwemmungsgefahr aufmerksam zu machen, und andere Möglichkeiten, um Geld zu verdienen. Erst diesen Morgen hatte er Fay erklärt, daß sie an allen Ecken und Enden sparen müßten. Daß sie, wenn möglich, die eigenen Erzeugnisse essen sollten, statt beim Krämer Dosen oder beim Metzger Fleisch zu kaufen. Daß sie sich zumindest in nächster Zeit keine neuen Kleider und nichts Neues fürs Haus leisten könnten. Daniel hatte bereits aufgehört, sich antiquarische Bücher zu kaufen. Er tat alles, was er konnte, um sich und Fay vor den Auswirkungen der schlechten Wirtschaftspolitik der Regierung zu schützen. Am heutigen Tag hatte er außerdem versucht, sie vor dem sicherlich noch größeren Unglück einer Naturkatastrophe zu bewahren, allerdings ohne Erfolg.
    Das Cottage der Gillorys, das am tiefsten gelegen war und dazu noch nahe am Deich stand, war besonders gefährdet. Deshalb mußten Daniel und seine Geschwister jeden Frühling ein oder zwei Wochen lang barfuß durch das Wasser in der Küche stapfen. Im Moment ließ sich daran nichts ändern. Das Cottage würde diesen, nächsten und übernächsten Frühling überschwemmt werden. Der Torf saugte das Wasser auf wie ein Schwamm und spie es durch die losen Ziegel im Boden der Gillorys wieder aus. Wenn er Geld hätte, wenn er Zeit hätte, wenn Sir William die Felder verkaufte, die Daniel haben wollte – diese Felder lagen ein wenig höher –, dann würde er ein besseres Cottage bauen mit einem Wohnzimmer im Erdgeschoß und einem Badezimmer, genauso wie Fay es sich wünschte. Jede Woche bemühte er sich, einen kleinen Betrag beiseite zu legen, und wartete auf den Tag, an dem die Blythes verkaufen mußten.
    Ãœber dem nächsten Graben lag ein Eichenstamm. Daniel stieg ab und schob das Fahrrad hinüber. Jetzt konnte er

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