Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die geheimen Jahre

Titel: Die geheimen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
Vom Netzwerk:
kräuselte den Mund. »Seit dem Krieg hat sich alles so sehr verändert. Außerdem haben wir finanzielle Probleme, glaube ich. Steuern und so weiter. William wird sicher mit dir darüber sprechen. Wir haben natürlich Sparmaßnahmen getroffen, aber man fühlt sich heute von allen Seiten bedrängt.«
    Â»Viele Eltern meiner Freunde müssen verkaufen. Die Mortlakes etwa, die zwei Todesfälle zu beklagen hatten, den Vater und Johnnie Mortlake, die 1916 gefallen sind.« Seine Stimme klang beiläufig, desinteressiert.
    Lady Blythe sagte sich, daß es eben Nicholas’ Art war. Daß ihm Drakesden Abbey trotz des äußerlichen Desinteresses genauso wichtig war wie ihr. Das konnte gar nicht anders sein: Er war schließlich ein Blythe.
    Â»Ich dachte, wir sollten ein wenig plaudern«, sagte sie. »Briefe sind doch so unbefriedigend , findest du nicht auch?«
    Nicholas hatte sich in einem der kleinen Chintzsessel niedergelassen. »Du solltest ein Telefon installieren lassen, Mama.«
    Â»Telefon? Nein, das ist, glaube ich, nicht nötig.«
    Nicholas runzelte die Stirn. »Aber es ist so unpraktisch. Drakesden ist so abgelegen. Auf jeden Fall solltest du Strom legen lassen. Es ist lächerlich, immer noch mit Öllampen und Kerzen hantieren zu müssen. Einfach mittelalterlich.«
    Â»Wir sind zu abgelegen. Niemand von den Dorfbewohnern hat Elektrizität.«
    Â»Die Abbey kann man doch nicht mit einem elenden Kuhdorf vergleichen«, antwortete Nicholas ungeduldig. »Drakesden wird auch noch die nächsten fünfzig Jahre im Mittelalter steckenbleiben. Es besteht doch kein Grund, daß die Abbey es ihm gleichtut.« Er drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus.
    Â»Die Kosten …«, murmelte Gwendoline. »Und ist es denn sicher?«
    Â»Natürlich, Mama. Vollkommen sicher. Wenn Drakesden mir gehören würde, würde ich als erstes einen Generator einbauen lassen. Dann … Heizkörper, elektrisches Licht, fließend warmes Wasser. Es ist absolut lächerlich, daß die arme Thomasine kein Bad nehmen kann, ohne stundenlang die Hälfte der Dienerschaft mit Krügen durchs Haus zu scheuchen. Und die Schlafzimmer sind neun Monate lang die reinsten Eiskeller.«
    Â»Ich wurde in dem Glauben erzogen, daß überhitzte Schlafzimmer schlecht für die Gesundheit sind.«
    Nicholas schnaubte. »Ich spreche ja nicht von tropischer Hitze. Nur davon, daß man keine Frostbeulen kriegt, wenn man den Fuß unter der Decke vorstreckt.«
    Gwendoline bemerkte ein Engagement an ihrem Sohn, das sie früher selten gesehen hatte. Sie fand Elektrizität, Telefone und dergleichen unverständlich und unnötig, ihr Sohn aber offensichtlich nicht.
    Â»Wußtest du, daß der junge Gillory wieder in Drakesden ist, Nicholas?« fragte sie vorsichtig.
    Er starrte sie an. »Gillory? Welcher Gillory?«
    Â»Daniel.« Es ging ihr gegen den Strich, seinen Namen auszusprechen, aber sie schaffte es, ihre Abneigung zu verbergen. Sie erinnerte sich immer noch, wie Daniel Gillory sie vor der Kirche angesehen hatte … unverschämt und triumphierend.
    Er runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Ich dachte, wir wären ihn schon vor Jahren ein für allemal losgeworden.«
    Ihr Herz pochte ziemlich schnell. »Ich fürchte nicht. Er arbeitet jetzt in Drakesden.«
    Â»Als Hufschmied?« Nicholas lachte kurz und keineswegs heiter auf. »Dafür war er sich doch zu gut.«
    Â»Daniel Gillory ist kein Schmied, sondern Farmer.«
    Sie hatte es ihm noch nicht erzählt, weil sie es ihm sagen wollte, wenn sie allein waren. Weil sie sehen wollte, wie er reagierte. Ob die alte Antipathie aus der Kindheit immer noch vorhanden war. Ob er Drakesden Abbey gegenüber genauso empfand wie sie.
    Â»Er hat Land dazugekauft. Er bewirtschaftet die Felder, die William vor einem Jahr verkauft hat. Die Frau, die sie erworben hat, muß eine Freundin von ihm sein.«
    Nicholas starrte sie an. Sie sah, wie ihm langsam die Farbe aus dem Gesicht wich.
    Â»Er ist verheiratet, Nicholas. Seine Frau ist aus London. Ein gewöhnliches kleines Ding. Sie trägt Lippenstift, in der Kirche !«
    Nicholas erhob sich und ging zum Fenster. Sie sah, daß seine Knöchel weiß hervortraten, als er den Fenstersims umklammerte.
    Â»Daniel Gillory bebaut Blythe-Land?« flüsterte er. »Daniel Gillory hat uns reingelegt,

Weitere Kostenlose Bücher