Die geheimen Jahre
nicht daran zu denken, was die Zukunft wohl bringen würde.
Sie wollte Daniel einen Besuch abstatten. Thomasine wartete, bis Nicholas eines Tages das Haus verlassen hatte, dann spazierte sie durch den Wald und über die Wiese zum Dorf. Die Feindseligkeit der Dorfbewohner zeigte sich in den angedeuteten Verbeugungen der Männer und der Kälte in den Augen der Frauen. Sie war erleichtert, als sie den Weg zum Cottage des Hufschmieds einschlug, um den neugierigen und miÃbilligenden Blicken zu entkommen.
Sie machte erst gar nicht den Versuch, an die Vordertür der Gillorys zu klopfen, die sich mehrere Fuà über dem eingesunkenen Torfboden befand. Statt dessen ging sie zur Hintertür und rief der Frau, die Wäsche aufhängte, zu:
»Mrs. Gillory? Ist Daniel zu Hause?«
Sie hatte Fay Gillory schon in der Kirche gesehen und immer ihre gute Figur und ihre Kleider bewundert, die sie mit offenkundiger Sorgfalt auswählte. Zum Wäscheaufhängen trug Fay Gillory ein gutgebügeltes blaÃblaues Baumwollkleid, weiÃe Strümpfe und Lippenstift. Thomasine war sich plötzlich unangenehm ihrer Galoschen, ihres einfachen Rocks und Pullovers bewuÃt.
»Er ist beim Pflügen, Euer Ladyschaft. Soll ich ihn für Sie holen?«
Thomasine schüttelte den Kopf. »Ich suche ihn selbst, wenn ich darf. Ich möchte Sie nicht stören.«
Höflich lehnte sie Fay Gillorys Einladung zu einer Tasse Tee ab und machte sich auf die Suche nach Daniel. Sie hatte die sichere Ahnung, daà es besser wäre, mit Daniel drauÃen zu sprechen, wo sein Stolz und sein ausgeprägtes BewuÃtsein, was Standesunterschiede anbelangte, weniger verletzt würden. Auf dem Weg bemerkte sie die Veränderungen, die er auf seinem kleinen Besitz vorgenommen hatte: die Beerensträucher â rote und schwarze Johannisbeeren, wie sie bei näherem Hinsehen feststellte â, Himbeeren und Erdbeerbeete. Die Reihen Wintergemüse, deren blaugrüne Blätter sich wie kleine Blüten auf der schwarzen Erde ausnahmen.
Ganz hinten, auf dem am weitesten entfernten Feld, entdeckte sie Daniel, der mit zwei Pferden pflügte. Sie wartete, bis er die lange Furche gezogen hatte, und rief dann seinen Namen. Er sah auf.
»Lady Blythe.«
Plötzlicher Zorn packte sie. Sie hatten kaum miteinander gesprochen, seit sie nach Drakesden zurückgekehrt war, und sie spürte bereits seine Feindseligkeit, seinen Vorsatz, sich ihr gegenüber zu versperren.
»Daniel«, rief sie. »Es tut mir leid, dich bei der Arbeit zu stören, aber ich muà mit dir sprechen.«
»Dann schieà los.«
»Komm bitte her, Daniel. Ich möchte dir beim Pflügen nicht im Weg sein, auÃerdem will ich mir nicht die Lunge aus dem Hals schreien.«
Er hielt inne, zuckte die Achseln und kam auf sie zu.
»Die Pferde könnten ein paar Minuten Rast brauchen.« Er hatte das Joch von den beiden Tieren gelöst. Es folgte ein langes Schweigen, während Thomasine nach den richtigen Worten suchte. Sie wollten ihr nicht einfallen.
»Ich bin gekommen, um dich zu bitten, den Männern zu sagen, daà sie wieder zur Arbeit gehen sollen«, begann sie geradeheraus.
Er sah sie an. Einen Moment lang stand ein gehässiges Grinsen in seinen haselnuÃbraunen Augen. » Mich bitten? Ihnen zu sagen? Meine liebe Lady Blythe, Sie schreiben mir einen Einfluà zu, den ich nicht besitze.«
»Thomasine!« erwiderte sie ärgerlich. »Um Himmels willen, Daniel â muÃt du es denn so schwierig machen?«
Er antwortete nicht, sondern klopfte den beiden Pferden auf den Hals, so daà sie zur anderen Seite des Feldes trotteten. Thomasine versuchte es noch einmal.
»Du hast einigen EinfluÃ, Daniel â das weià ich. Ich habe deine Artikel in der Zeitung gesehen. Mit derlei Dingen hast du dir Ansehen verschafft.«
»Welche Artikel? Denjenigen über den Völkerbund in der East Anglian Daily Times? Oder vielleicht die Glosse über verrückte Psychologie, die ich für den Spalding Guardian geschrieben habe? âºErstaunliche Geschichten aus dem Patientenbuch von Doktor Freudâ¹. Als nächstes hab ich an den Red Star Weekly gedacht, aber meine Strickkünste sind ein biÃchen eingerostet â¦Â«
»Die Artikel, die du für den Ely Standard geschrieben hast«, unterbrach sie ihn wütend. »Ãber das südliche Deichland. Und
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