Die geheimen Jahre
Moment, dann sagte er: »Ich konnte die Männer nicht kriegen.«
Verständnislos starrte sie auf seinen Rücken. »Du konntest die Männer nicht kriegen? Nick â ich verstehe nicht â¦Â«
»Sie wollten nicht für mich arbeiten, Thomasine.«
Immer wieder neigte er den Kopf und beugte leicht die Arme. Sie wuÃte nicht, was er machte. Es war ihr egal.
»Die Männer wollten nicht für mich arbeiten. Joe Carter hat in den anderen Dörfern herumgefragt, aber ⦠sie haben zu viele Tanten, Cousinen und andere Verwandte in Drakesden â¦Â« Seine Stimme brach ab. Dann fügte er hinzu: »Daniel Gillory ist schuld daran.«
» Daniel? Was hat Daniel damit zu tun?«
Nicholas beugte den Kopf, seine Stimme klang tonlos. »Gillory hat den Männern geraten, nicht für mich zu arbeiten, weil ich die Cottages verkauft habe.«
Sie seufzte tief auf. Ihre Finger verkrampften sich ineinander. »Du hast sie verkauft, Nick? Nachdem ich dich gebeten hatte, es nicht zu tun â¦Â« Einen Moment lang konnte sie nicht weitersprechen.
Nicholas flüsterte: »Es ist unser Land, Thomasine. AuÃerdem muÃte ich. Auf Maxâ Anweisung.«
Der Schock verwandelte sich schnell in Zorn. »Wenn die Dorfbewohner nicht für dich arbeiten wollen, dann deswegen, weil du sie mit Verachtung behandelst. Was erwartest du, wenn du sie aus den Häusern wirfst, in denen sie ihr Leben lang gewohnt haben?«
»Drei Familien.« Wieder beugte er den Kopf. »Das ist alles â drei lausige Familien.«
»Diese drei Familien sind mit allen anderen im Dorf verwandt. Matthew Carter ist mit Letty Gotobed verheiratet, Rose Hayhoes Schwester geht mit einem der Jungen der Dockerills, die Bentons und die Dilleys haben seit Generationen untereinander geheiratet â¦Â«
»Ja â ja â das weià ich alles â¦Â«
»Wirklich, Nick?« Sie starrte ihn an und dachte erneut, wie schlecht er sich in die Rolle eingefunden hatte, die ihm nach dem Tod seines Vaters und älteren Bruders auferlegt worden war. »Wirklich?«
Er antwortete nicht. Statt dessen beugte er erneut den Kopf und machte wieder die gleiche kleine Bewegung. Zum erstenmal sah sie auf den Schreibtisch, die Fenstersimse und Bücherregale. Ãberall lagen Stapel von Papieren, so ordentlich aufeinandergelegt, daà keine Kanten überstanden und alles parallel zum Rand der Unterlage ausgerichtet war. Nicholas sagte nichts mehr, rührte sich nicht mehr. Während sie ihn beobachtete, vergaà sie die Ernte und die Cottages. Sie bemerkte, daà er sich nicht einmal umgedreht hatte, um sie anzusehen. Seine Stimme war die ganze Zeit über tonlos, desinteressiert geblieben. Es war, als wäre er in etwas Wichtigeres vertieft, in etwas Faszinierenderes als den Verlust des gesamten Einkommens von Drakesden Abbey. Beunruhigt trat sie auf ihn zu.
Als sie sah, was er tat, wurde ihr fast schlecht. Er hielt eine Rasierklinge in der Hand: Mit den kleinen rhythmischen Bewegungen, die ihr aufgefallen waren, hatte er sich Schnitte auf der Innenseite seines Unterarms beigebracht. Sein linker Arm war bereits von zahllosen Schnitten verletzt, alle entlang der Narben, die er aus dem Krieg mitgebracht hatte. Er sah sie nicht an, als sie entsetzt aufseufzte, sondern fuhr fort, die Klinge über seine Haut zu ziehen. Sein Blick war starr, sein Gesichtsausdruck ruhig. Blut sickerte aus den schmalen Wunden, befleckte seinen Hemdsärmel und fiel in dunkelroten Tropfen auf den Teppich.
Als er die Klinge hob, umschloà Thomasine seine Hand mit der ihren. Seine Faust war fest geballt, lieà sich nicht öffnen.
Sie flüsterte: »Laà sie fallen, Nick. Laà sie fallen.«
Benommen schüttelte er den Kopf.
»Bitte, Liebling â du darfst dir das nicht antun. Laà sie los, bitte. Tuâs für mich â für William â¦Â«
Endlich wandte er den Blick von seinem verwundeten Arm ab. Als seine Augen auf Thomasines trafen, verzog sich sein Gesicht zu einer Grimasse. Die Rasierklinge fiel zu Boden, sie bückte sich, hob sie auf, wickelte sie in ihr Taschentuch und steckte sie ein.
»Ich werde Dr. Lawrence holen lassen«, sagte sie, aber er packte sie am Arm.
»Nein, Thomasine. Keine Ãrzte.«
»Aber Nick â dein Arm â¦Â«
»Der heilt schon wieder.« Ein unheimliches Grinsen strich über sein Gesicht. »Das tut er
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