Die geheimen Jahre
war es dunkel und kalt, der Wind rüttelte an Türen und Fenstern und lieà die Scheiben erzittern. Sie hatten kein Bier mehr, also trank er Wasser, tauchte den Kopf in den Kübel und schluckte, als lieÃe sein Durst sich nicht stillen. Seine Arme und Hände waren von den scharfen Stengeln mit unzähligen Kratzern übersät, und an seinen Fingern bildeten sich Blasen vom Festhalten der Sense. Er war zu müde, um die Leiter hinaufzusteigen, also legte er sich voll bekleidet aufs Sofa und lauschte dem Wind und dem Regen.
Im Morgengrauen wachte er auf und ging hinaus. Ãber Nacht hatte sich der Sommer in Herbst verwandelt, der Himmel war bleiern grau, und der Regen fiel in dichten Schwaden auf die Erde hinab. Schwarze Pfützen glänzten im Hof, aber die Plane, die sein Korn bedeckte, hatte gehalten und war vom Sturm nicht weggerissen worden.
Auf der Spitze des Deichs marschierte er zu seinen Feldern. Er muÃte den Kopf senken vor dem Wind und war bald bis auf die Knochen durchnäÃt. Der Deich, der am Tag zuvor noch fast leer war, füllte sich schnell, und das schwarze Wasser schäumte und blubberte. Mehrmals verlor Daniel fast den Halt, als er den schmalen, glitschigen Weg entlangging.
Als er die Grenze seines Lands erreicht hatte, blieb er stehen. Wie Nicholas Blythe befohlen hatte, würde er keinen Grashalm seines Landes zertreten.
Das brauchte er auch nicht. Der Gott, der über dieses harte, verlassene Land regierte, hatte dies für ihn erledigt. Das Korn, das am Vortag noch hoch gestanden und golden geglänzt hatte, war zu einer fahlen Masse zusammengedrückt worden, kaum mehr ein Stengel war aufrecht geblieben.
Thomasine wachte um sechs Uhr auf, um William zu stillen. Das Heulen des Winds hielt immer noch an, verschluckte fast das zufriedene Glucksen des Kindes, und durchs Fenster konnte sie Blätter und Ãste sehen, die über dem Rasen verstreut lagen.
Sobald William eingeschlafen war, rannte Thomasine in ihr Zimmer und zog sich Reithose, Pullover und Regenmantel an. Das Haus war still, abgesehen von den leise huschenden Mädchen, die die Kamine ausfegten. DrauÃen zerrte der Wind an ihrem Haar und ihren Kleidern, und der Regen peitschte ihr ins Gesicht. Sie sattelte die braune Stute und ritt aus dem Stall. Die Wege waren schlammig und mit Ãsten versperrt: Mit dem Auto wäre sie nicht einmal bis ins Dorf gekommen.
Als sie über die Koppel auf den Weg zutrabte, sah sie, daà ihre schlimmsten Befürchtungen wahr geworden waren. Die Felder der Abbey waren nicht geerntet worden. Statt dessen hatte der Sturm das reife Getreide vernichtet, die Halme geknickt und zu groÃen flachen Kreisen platt gedrückt. Soweit sie blicken konnte, war die Ernte der Abbey vom Sturm zerstört. Sie sagte sich, daà die anderen Felder verschont geblieben seien, daà Nicholas die Männer sicher angewiesen hatte, die Ernte einzubringen, aber als sie um die Insel ritt, erstarb ihre Hoffnung, und eine Mischung aus Furcht und Zorn trat an ihre Stelle. Ãberall herrschte Chaos. Keine einzige Garbe war eingebracht worden. Regen troff in den Kragen ihres Mantels, in ihre Reitstiefel, das Haar klebte ihr am Kopf, aber sie achtete nicht darauf. Als sie vom Pferd stieg, um einen Weizenhalm aus dem verwüsteten Feld zu pflücken, waren die Körner feucht und von Schlamm und Wasser verklebt.
SchlieÃlich traf sie auf Joe Carter, der allein am Rand eines Ackers stand. Sie sprach ihn nicht an, das brauchte sie nicht. Sie wuÃte, daà der Ausdruck in seinen Augen der gleiche war wie in den ihren: bestürzte Verzweiflung, die niederschmetternde Erkenntnis, daà alle Arbeit vergeblich gewesen war.
Zurück in Drakesden, nahm sich Thomasine gerade genug Zeit, um die Reitstiefel und den Regenmantel abzuwerfen und sich die Haare zu trocknen. Dann machte sie sich auf die Suche nach Nicholas.
Sie fand ihn in seinem Arbeitszimmer, wo sich seine Silhouette dunkel vor dem Fenster abzeichnete. Er reagierte nicht auf ihr Klopfen, aber sie trat trotzdem ein. Er stand auf, drehte ihr den Rücken zu und sah hinaus. Sie wuÃte sofort, daà auch er wuÃte, was geschehen war.
»Die Ernte â¦Â«, sagte sie. Ihre Stimme klang seltsam, bebend. »Nick â wir haben alles verloren â¦Â«
»Alles?« Es war weniger eine Frage als die Bestätigung einer entsetzlichen Angst.
»Alles. Nick â was ist passiert?«
Er schwieg einen
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