Die geheimen Jahre
Abdrücke, die ihre hochhackigen Schuhe auf dem staubigen Boden hinterlassen hatten. Als er wieder zu trinken begann, hatte der Wind ihre FuÃspuren bereits verweht, und nichts zeigte mehr an, wohin sie gelaufen war.
Fay machte etwas, was sie noch nie zuvor getan hatte: Sie schickte eines der Hayhoe-Kinder mit einer Nachricht nach Ely. Sie wagte nicht, zum Haus zurückzugehen, um ihr Fahrrad zu holen, aber sie konnte schlieÃlich nicht den ganzen Weg nach Ely zu Fuà zurücklegen. Eindringlich schärfte sie Jackie Hayhoe die Nachricht ein.
»Sag ihm, er soll an die übliche Stelle kommen. Sag ihm, es sei wichtig.« Sie zog ein Sixpence-Stück aus der Tasche und beobachtete, wie der Junge über die Felder davonrannte und seine genagelten Stiefel den schwarzen Staub aufwirbelten. Dann machte sie sich auf den Weg in Richtung Pottersâ Field. Die Meile kam ihr länger vor als sonst. Der Schlamm entlang des Damms war hart und voller Furchen, das Wasser im Graben roch faulig. Sie folgte dem Deich, weil sie Angst hatte, sich zu verirren, aber beim Anblick der Aale, die sich in dem flachen, schmierigen Wasser wanden, überkam sie Ekel.
Als sie die alte Windmühle erreicht hatte, setzte sie sich in den Türeingang und wartete. Sie begann, sich die Worte zurechtzulegen, mit denen sie Alexander ihre Notlage erklären wollte. »Ich kann nicht mehr bei Daniel bleiben«, würde sie sagen. »Er hat mir weh getan.« Sie würde ihm die blauen Flecken an ihrer Schulter zeigen, und er wäre entsetzt und wütend. Dann würde er sie bitten, ihn zu heiraten. Fay hatte nur vage Vorstellungen, was die Scheidungsgesetze anbelangte, aber sie war sich sicher, daà jeder Richter Mitleid mit ihr hätte. Niemand konnte von ihr erwarten, bei einem Mann wie Daniel Gillory und an einem Ort wie Drakesden zu bleiben.
Doch als der Nachmittag verstrich und Alexander Lawrence nicht auftauchte, begann ein guter Teil der Zuversicht aus ihren Phantasien zu schwinden. Plötzlich konnte sie sich nicht mehr vorstellen, wie Alexander um ihre Hand anhielt. Sie versuchte es, aber die Worte klangen nicht überzeugend, und in seinen blaÃblauen Augen stand immer dieser Hauch von Zynismus. Sie sah auf den Weg hinaus und erwartete, das Geräusch seines Autos zu hören, aber alles blieb still. SchlieÃlich wurde die Stille vom Rascheln des Windes in den Bäumen und im Korn unterbrochen, und der Himmel, der tagelang makellos blau gewesen war, begann, sich zu verdunkeln. Fay saà auf den Stufen und sah die schnelle, nach oben wirbelnde Bewegung der Wolken. Plötzlich war es kühler geworden. Sie fröstelte in ihrem dünnen Kleid.
Sie hatte jedes Zeitgefühl verloren, aber ihrer Schätzung nach muÃte es Spätnachmittag sein. Seit Stunden wartete sie nun schon. Er muà kommen, dachte sie, er muà einfach kommen. Langsam schwand ihre starke Zuversicht, und sie fühlte sich allein und verlassen. Die Leere der Landschaft machte ihr angst. Bei jedem Knistern und Knacken, das der Wind in der alten Mühle hervorrief, zuckte sie zusammen. Die groÃen schwarzen Wolken am Himmel warfen dunkle Schatten auf die Kornfelder. Beim ersten Donnergrollen sprang sie auf und lief in die Mühle.
Der Regen setzte ein und fiel in dicken Tropfen auf die undichten Holzschindeln. Anfangs kamen die Tropfen nur spärlich, hinterlieÃen ein dunkles Tüpfelmuster im Staub des Weges, aber dann prasselten sie stärker herab, und ihr Klang hallte in der Leere wider, als würde auf tausend Trommeln ein erbarmungsloser Rhythmus geschlagen. GroÃe gezackte Blitze teilten den Horizont. Fay duckte sich in der Windmühle zusammen und spähte durch die Tür, während der Himmel sich zuerst grau, dann schwarz und schlieÃlich violett verfärbte. Dann brach mit lautem Getöse der Donner wieder los, Fay schrie auf und legte die Hände auf die Ohren. Immer wieder hörte sie Daniel sagen: Blitze suchen sich immer den höchsten Punkt, Fay . Und als sie hinausblickte, sah sie nur endlose flache Felder, ein paar krüppelige Bäume und den Deich. Die Windmühle, in der sie Schutz gesucht hatte, war die höchste Erhebung.
Heftige Blitze zuckten über den Himmel und lieÃen das Innere der Mühle so hell aufleuchten, daà sie einen furchtbaren Moment lang glaubte, sie sei bereits getroffen worden. Der Knall des Donners war ohrenbetäubend, und als er
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