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Die geheimen Jahre

Titel: Die geheimen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Tür hinein.
    Aber die Mühle war leer und außer dem Geräusch der sich drehenden Flügel vollkommen still. Sie ist nach Ely gegangen, dachte er. Sie ist bereits bei ihrem Liebhaber …
    Im Licht der Blitze konnte er die schwarze Linie des Deichs erkennen. Wieder begann er zu laufen, den Kopf voller verrückter Ideen, wie er nach Ely radeln und sie zwingen würde, nach Hause zu kommen. Als er die rutschige Böschung hinaufkletterte, starrte er angestrengt nach rechts und links. Ein einzelner starker Blitz ließ den Himmel aufleuchten, und er sah in vollkommener Klarheit das Dorf, die Felder, den Weg nach Ely. Aber der Weg war leer und verlassen. Mit hocherhobener Laterne blickte er verzweifelt um sich. Und dann entdeckte er, daß etwas in der Planke über dem Deich steckte, nicht weit entfernt von der Stelle, an der er stand.
    Ein hochhackiger Schuh. Der Blick nach unten war fast zuviel für ihn.
    Das rosafarbene Chiffonkleid war so schwarz und zerfetzt, daß es wie ein Bündel schmutziger Lappen aussah. Daniel sprang ins Wasser, zog an ihrem Körper und versuchte, Fay aus dem Morast zu zerren. Zuerst schien seine Mühe vergeblich, doch Daniel nahm alle Kraft zusammen, bis das Moor sein Opfer endlich freigab. Er drückte den kalten Leib an sich und versuchte, ihn zu wärmen. Schlamm füllte die Augenhöhlen und bedeckte das marmorne Weiß ihrer Haut. Ihr dunkles Haar, das er so gern berührt und geküßt hatte, war eine dicke, verklebte Masse. Er wußte, daß kein Leben mehr in ihr war, vielleicht schon seit Stunden nicht mehr, dennoch tastete er hektisch nach ihrem Puls, ihrem Herzschlag. Dann hob er den Kopf und rief ihren Namen, doch sein verzweifelter Schrei ging im grollenden Donner unter.

14
    OBWOHL EIN ZEUGE am Tag des Todes von Mrs. Gillory laute Stimmen aus ihrem Haus gehört hatte, erzählte der kleine Jackie Hayhoe, vor Wichtigkeit fast platzend, dem Untersuchungsbeamten von der Nachricht, die Fay Gillory ihm an jenem Nachmittag gegeben hatte, und der Landarbeiter Harry Dockerill sagte aus, daß er beim Blick durchs Fenster des ehemaligen Schmiedehauses Daniel Gillory am Küchentisch habe schlafen sehen. Die Polizei gab sich damit zufrieden, und das Urteil lautete Tod durch Unfall.
    Thomasine wohnte dem Begräbnis bei. Daß die kleine Kirche fast bis zum letzten Platz gefüllt war, geschah Daniel, nicht Fay zu Ehren. Die gerichtliche Untersuchung, eine brutale Auflistung von Fakten und Daten, hatte gezeigt, wie wenig beliebt Fay Gillory in Drakesden gewesen war. Wenngleich jeder die schrecklichen Umstände ihres Todes bedauerte, kursierten heimliche Gerüchte über die Vorfälle, was zu einem entsprechend harten Urteil beitrug. Ein Gesicht, das bei der Untersuchung besondere Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, war bei der Beerdigung bezeichnenderweise nicht zu entdecken: das von Alexander Lawrence.
    Thomasine saß vorn in der Kirche, nur ein paar Schritte von Daniel entfernt. Als sie ihn grüßte, erwiderte er ihren Gruß nicht. Er stand zwar auf oder kniete sich nieder, wenn die Liturgie es erforderte, aber seine Lippen blieben stumm. Weder sang er die Lieder mit, noch schloß er sich den Gebeten an. Teilnahmslos und blaß unter seiner Sonnenbräune, mit leerem Blick, folgte er dem Sarg seiner Frau auf den Friedhof hinaus. Auf einer Seite begleitete ihn seine Schwester, auf der anderen Harry Dockerill. Es war ein heller, klarer Sommertag, und das schreckliche Gewitter war längst vergessen. Keiner der üblichen Allgemeinplätze, keine der Platitüden, die Trauernde bei Beerdigungen gemeinhin trösten, paßten hierher. Fays Tod war kein barmherziges Entrinnen, er beendete weder eine qualvolle Krankheit noch die Leiden eines hohen Alters. Als alles vorbei war, nahm Thomasine Daniels willenlose Hand und flüsterte ihm zu: »Es tut mir leid, Daniel. Ich werde nach dir sehen. Bald.«
    Zwei Tage später ging Thomasine zum Haus der Gillorys. Der Hof war leer, außer den Hühnern, die in der Erde pickten, und dem Schwein, das an seinem Trog schnüffelte.
    Sie klopfte an die Hintertür, wartete ein paar Minuten und rief dann Daniels Namen. Als sie die Tür zu öffnen versuchte, stellte sie fest, daß sie verschlossen war. Dann hörte sie Schritte, drehte sich um und sah Harry Dockerill.
    Â»Ist Mr. Gillory draußen bei der Arbeit?«
    Harry lüftete die Mütze und

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