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Die geheimen Jahre

Titel: Die geheimen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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so darauf. Hm … Der verdammte Sturm hat mir gestern oder vorgestern den Schirm zerrissen.«
    Daniel war aufgestanden. Seine zunehmende Besorgnis begann sich in nackte Angst zu verwandeln. »Harold«, sagte er, »kann ich mir Ihr Auto ausleihen?«
    Während der ersten Tage ihrer Krankheit fühlte sich Thomasine sehr schlecht. Sie hatte schlimme Kopfschmerzen, Gliederreißen und litt unter schrecklichem Juckreiz. William stieg zu ihr ins Bett, und sie kratzten sich, husteten und schnieften gemeinsam. Wenn sie Wasser brauchten, mußte sie sich nach unten schleppen, was in ihrem angegriffenen Zustand auf der engen Wendeltreppe nicht ungefährlich war. Über den Regen war sie dankbar: Er füllte das Wasserfaß, so daß sie wenigstens kein Wasser vom Brunnen holen mußte. Die Hühner überließ sie ihrem Schicksal und hoffte, daß sie während dieser schrecklichen Tage genug zum Fressen fanden, und den Schweinen warf sie ein paar Reste aus dem Brotkorb hin. Auch die Enten mußten selbst sehen, wie sie zurechtkamen. Sie hätte es keinesfalls geschafft, zum Teich hinunterzugehen, um sie zu füttern.
    William lebte von einer seltsamen Diät aus Keksen, Äpfeln, Porridge und Honig. Wenn Thomasine am Herd stand und die Haferflocken ins Wasser rührte, hob sich ihr der Magen, und auf ihrer Stirn brach Schweiß aus. Obwohl es sehr kalt war, schleppte sie sich in einem ärmellosen Seidenkleid durch die Küche, einem Relikt aus besseren Zeiten, das von Harrods stammte und mit winzigen Perlen bestickt war. Alles andere juckte sie zu sehr auf der Haut. »Das ist ein hübsches Kleid, Mami«, sagte William anerkennend, und sie hätte beinahe gelacht, als sie auf ihre dünnen, rotgefleckten Glieder hinabsah, die aus der austernfarbenen Seide hervorstanden.
    Nach dem ersten Tag ihrer Bettlägerigkeit tauchte Eddie nicht mehr auf. Thomasine kam zu dem Schluß, daß auch Eddies Familie krank geworden war. Er hatte jedoch Feuerholz im Schuppen zurückgelassen, und irgendwie schaffte sie es, den Küchenherd am Brennen zu halten. Auch wenn sie nicht fror, wußte sie doch, daß William, dessen Temperatur inzwischen wieder normal war, kalt sein würde.
    Schließlich begann sie, sich ein bißchen besser zu fühlen. Das flammende Rot des Ausschlags wurde blasser, und ihr Kopf schmerzte nicht mehr ganz so schlimm. Sie machte sich und William eine Tasse Tee, schlurfte erschöpft und zitterig in ihrem Nachmittagskleid und mit Pantoffeln an den Füßen in der Küche herum. Seit Tagen hatten sie keine Milch mehr gekauft, so daß sie den Tee schwarz trinken mußten, dafür gaben sie drei Löffel Zucker hinein. Wir haben überlebt, dachte Thomasine, als sie ihren Sohn ansah, und einen Moment lang war sie sehr stolz.
    Zum erstenmal seit Tagen fiel ihr wieder ein, daß es jenseits des Cottages und der Insel noch eine andere Welt gab. Sie hatte jegliches Zeitgefühl verloren und wußte nicht mehr, welcher Wochentag war. Als sie an den Knöpfen von Nicholas’ Radio drehte, kam kein Ton heraus. »Die Batterie ist leer«, sagte sie. Oder die Antenne war abgerissen worden. Der Wind draußen heulte wie ein hungriger Wolf.
    William nickte weise. »Wir müssen eine neue kaufen.«
    Â»Ja.« Wenn sie langsam gingen, dachte sie, könnten sie am nächsten Morgen einkaufen gehen. Milch und Butter und vielleicht einen Kuchen, um Williams mangelnden Appetit anzuregen. Sie könnte nachsehen, ob Annie Dockerill ihr Baby bereits zur Welt gebracht und ob der Rest von Drakesden die Epidemie überstanden hatte.
    Um sieben Uhr brachte sie William ins Bett und ging eine Stunde später selbst nach oben. Erschöpft wie sie war, nahm sie weder den tosenden Sturm noch den Regen wahr, der den nahen Deich fast bis zum Rand füllte.
    Am frühen Morgen trat der Wissey, der zwischen Downham Market und Southery floß, über die Ufer. Die Deiche und Abflußgräben, die durch die schweren Regenfälle der letzten vierzehn Tage bis zum Rand mit Wasser gefüllt waren, boten kein Abflußventil für den angeschwollenen Fluß. Die Pumpen und dampfbetriebenen Windmühlen, die weit über ihre Leistungsfähigkeit hinaus beansprucht wurden, waren von dem furchtbaren Sturm, der in der Nacht zuvor über die Fens gefegt war, zerstört worden. Obwohl die Männer verzweifelt versuchten, Sandsäcke aufzutürmen,

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