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Die geheimen Jahre

Titel: Die geheimen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Revue wird nächsten Monat abgesetzt.«
    Â»Sie sind Schauspielerin?«
    Thomasine schüttelte den Kopf. »Tänzerin. Ich arbeite seit letztem August in Paris, und davor habe ich in London getanzt und unterrichtet. Und Sie, Nicholas? Es ist so schrecklich lange her.«
    Â»Oh …« Er verzog das Gesicht. »Ich war im Krieg, natürlich. Und dann war ich eine Weile krank, aber jetzt geht es mir besser. Ich hab mich für etwa ein Jahr in Drakesden vergraben, aber die letzten Monate haben Lal und ich auf dem Kontinent verbracht. Wo es wesentlich lustiger ist.«
    Lally stand hinter ihm und hatte eine Hand auf Nicholas’ Lehne gelegt. »Wir waren in Rom, Florenz, Monaco und Nizza, Miss Thorne. Nicky hat sich das tollste Auto gekauft.«
    Â»Einen Delage.« Die Musiker begannen wieder zu spielen, und Nicholas mußte schreien, um sich verständlich zu machen. »Er ist wunderschön. Und wir sind von Dover nach Calais geflogen. Das war herrlich.«
    Â»Kalt.« Lally schlang die Arme um sich.
    Nicholas erhob sich. »Möchten Sie mit mir tanzen, Thomasine?«
    Es war ein Foxtrott. Nicholas tanzte gut und führte Thomasine geschickt durch das Dickicht aus roten, blauen und weißen Luftschlangen – vorbei an Alice, die zusammengesunken, den Kopf auf die Arme gelegt, am Tisch saß, vorbei an Lally, die mit dem bärtigen Franzosen tanzte, und vorbei an Clive, der wieder mit Clara Rose auf dem Parkett war. Als Thomasine hastig den Blick von Clive abwandte, bemerkte sie, daß Nicholas sie immer noch anstarrte. Seine dunklen Augen wirkten verhangen.
    Â»Ich wollte Daniel Gillory umbringen«, sagte er plötzlich. »Ich hab’s tatsächlich versucht.«
    Sie hielt inne. Ein anderes Paar stieß mit ihnen zusammen und entfernte sich taumelnd.
    Â»Daniel? Was hat Daniel denn damit zu tun?«
    Â»Er hat ihn natürlich genommen.«
    Anfänglich hatte sie keine Ahnung, wovon er redete. Aber Nicholas griff in seine Jackettasche, zog sein Zigarettenetui heraus und fügte hinzu: »Wir haben den Feuerdrachen nie mehr gefunden, wissen Sie. Gillory muß ihn verkauft haben. Bald nachdem Sie Drakesden verlassen haben, ist er nach London gegangen – es ist nicht schwer, so etwas in London zu verkaufen.«
    Thomasine erinnerte sich an den Tag des Waffenstillstands – an Daniel, der sie in dem gestohlenen Rolls-Royce heimfuhr und ihr mit starrem Gesicht erzählte, was ihm widerfahren war, nachdem er Drakesden verlassen hatte.
    Â»Sie täuschen sich, Nicholas. So etwas hätte Daniel nie getan.«
    Nicholas antwortete nicht. Er hielt ihr das Zigarettenetui hin, aber Thomasine schüttelte den Kopf. Sie sah, wie seine Hand zitterte, als er sich eine Zigarette anzündete. Etwas freundlicher fügte sie hinzu:
    Â»Es hat mir leid getan wegen Gerald.«
    Er zog eine Grimasse. »Das arme Schwein. Hat nicht mal die ersten sechs Monate überstanden.«
    Der Foxtrott war vorbei. Eine Hand berührte Thomasine an der Schulter. »Es macht Ihnen doch nichts aus, alter Junge. Aber der Tanz gehört mir.«
    Nicholas neigte flüchtig den Kopf und ging zum Tisch zurück.
    Â»Clara Rose ist fort«, flüsterte Clive in Thomasines Ohr. »Gott sei Dank. Sie kann nicht tanzen, weißt du, Liebling – verglichen mit dir ist sie ein Elefant. Aber ich mußte rausfinden, was es mit der Tournee auf sich hat, von der Poppy gesprochen hat.«
    Als sie aufblickte, sah sie ihr Spiegelbild in seinen blauen Augen.
    Â»Alles Unsinn, glaube ich«, fuhr Clive fort. »Bloße Gerüchte. Ich hätte es mit der blöden Kuh ohnehin keine weiteren sechs Monate ausgehalten.«
    Lally ließ sich vom Barmann eine Schere geben und setzte sich auf den Tisch. Ettie, immer noch ein bißchen blaß, hielt den Spiegel ihrer Puderdose hoch. Lally löste ihr dichtes schwarzes Haar und begann, es abzuschneiden.
    Während die Schere klapperte und Haarlocken um sie herabfielen, begann sie, sich besser zu fühlen. Sie stellte sich vor, daß die Schere Thomasine Thornes welliges Haar abschnitt oder daß die Spitzen der Schere in ihre glatte helle Haut stachen. Als sie mit dem Pony und dem seitlichen Haar fertig war, schnappte Lally nach Luft.
    Â»Lassen Sie mich«, sagte eine Stimme.
    Marcel stand neben ihr. Er nahm die Schere aus Lallys Hand und begann, den hinteren Teil ihres Haars abzuschneiden. Als sie aufsah, bemerkte sie,

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