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Die geheimen Jahre

Titel: Die geheimen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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ihm. »Einen für jedes Jahr.«
    Â»Dir wird schlecht werden«, sagte Nicholas nachsichtig. »Sehr schlecht.«
    Â»Hier.« Lally war vor einem weiteren Café stehengeblieben. »Julian … Boy …«
    Sie gingen hinein. Das Café war bereits überfüllt. Paare tanzten in der Mitte des Raums. Das Licht war ziemlich schwach, und anfangs konnte Nicholas in der Dunkelheit nur die vagen Umrisse von Gestalten wahrnehmen.
    Â»Musik. Herrlich «, sagte Belle.
    Julian rückte ein paar Tische und Stühle zusammen. Die Mädchen setzten sich, und Julian und Boy warteten wie immer, daß Nicholas in seinen Taschen nach Münzen suchte. Als er ein paar Francs gefunden hatte, gingen sie zur Bar.
    Nicholas fand einen freien Platz und öffnete sein Zigarettenetui. Seine Finger zitterten ein wenig, als er das Streichholz anzündete. Seine Unruhe besorgte ihn, denn heute gab es eigentlich keinen Grund dafür. Er war in Gesellschaft, was ihm erfahrungsgemäß guttat, und es gab genügend Alkohol und Zigaretten. Da es sehr heiß im Café war, zog er sein Jackett aus, hängte es über die Stuhllehne und krempelte die Hemdsärmel hoch. Das trübe rötliche Licht ließ die Narben an seinen Armen deutlich hervortreten und gab ihnen eine bräunlichrote Farbe. Er kippte hastig seinen Daiquiri hinunter und wandte den Kopf ab.
    Lally setzte sich neben ihn. »Sehe ich hübsch aus?« fragte sie.
    Er zwang sich zu lächeln. »Du siehst sehr hübsch aus. Das Kleid hat eine schöne Farbe.«
    Â»Das ist Lanvin-Blau. Und es steht mir besser als Braun, findest du nicht auch?«
    Â»Viel besser.« Inzwischen konnte er sich Lally in ihrer Schuluniform gar nicht mehr vorstellen. Das Kleid, das sie trug, war aus blaßvioletter bestickter Seide und locker geschnitten, dennoch umschmeichelte es ihren Körper. Ihr Haar war in dichten schwarzen Flechten um die Ohren gelegt. Sie war immer noch ein bißchen mollig, aber das Kleid – eines von einem halben Dutzend, das Nicholas für sie zum Geburtstag gekauft hatte – kaschierte geschickt ihre kindlich pummelige Figur.
    Julian brachte Cocktails für alle. »Ettie ist schlecht«, sagte er. »Sie glaubt, es kommt von dem boeuf bourguignon .«
    Belle kicherte. Lallys dunkle schräge Augen richteten sich besorgt auf Nicholas. »Wir gehen zum Hotel zurück, wenn du willst«, flüsterte sie.
    Er schüttelte den Kopf und versuchte, fröhlich auszusehen. »Auf keinen Fall, Kleine. Das ist doch dein Geburtstagsgeschenk.«
    Von der anderen Seite des Cafés, wo eine große Gruppe von Leuten um mehrere Tische saß, drang lautes Lachen herüber. Als sie sich unterhielten, bemerkte Nicholas, daß es Engländer waren. Er beobachtete sie eine Weile, nachdem sich seine Augen an das Dunkel gewöhnt hatten. Während er den Rauch seiner Zigarette einsog und ein paar weitere Münzen für Getränke auf den Tisch warf, kam ihm eine Ahnung, woher seine tiefe Niedergeschlagenheit rührte. Ihm war klargeworden, daß die besten von seinen Kriegskameraden gefallen waren und daß er sich jetzt mit dem kümmerlichen Rest zufriedengeben mußte. Daß man Männer wie Julian und Boy nicht mit Burschen wie Richardson oder Holtby vergleichen konnte. Und daß er selbst aufgrund dessen, daß er überlebt hatte, für den Rest seiner Tage drittklassig bleiben würde. Sogar die Mädchen waren anders als vor dem Krieg.
    Mit halb geschlossenen Augen betrachtete er die jungen Frauen am Tisch auf der anderen Seite des Lokals. Die beiden Blondinen und die Rothaarige. Als sich die Rothaarige umdrehte und den Mann neben sich anlächelte, erkannte Nicholas, daß es Thomasine Thorne war.
    Schließlich forderte Clive sie zum Tanzen auf. Thomasine hätte ihm fast einen Korb gegeben, entschied sich aber plötzlich anders, als er sie anlächelte. Sie versuchte, sich zu entspannen, die Empfindung zu genießen, in seinen Armen zu liegen und die Wärme seines Körpers zu spüren. Aber es half nichts. Ärger brodelte in ihr, ein heftiger, reißender Strom, den sie nicht zu bändigen vermochte.
    Â»Entspann dich doch, Süße«, flüsterte ihr Clive ins Ohr. »Du bist vollkommen verkrampft.«
    Â»Poppy behauptet, du würdest mit Clara Rose auf Tournee gehen. Stimmt das?«
    Clive lachte. »Woher will Poppy das denn wissen? Poppy wird Ende des

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