Die geheimen Memoiren der Jane Austen - Roman
Palästen von St. James und Whitehall, der atemberaubenden Westminster Abbey und dem Parlamentsgebäude. Und wir bezahlten den Brückenzoll und überquerten die alte London Bridge gerade westlich vom Tower am Eingang zur Stadt, wo wir viele kleine Schiffe und Boote beobachteten, die vorüberfuhren.
Nachdem die Blüte der modischen Gesellschaft nun auf ihre Landhäuser gezogen war, wirkte die Stadt vergleichsweise ruhig, wenn wir auch immer noch gezwungen waren, unsere Stimmen zu erheben, um das andauernde Lärmen der Karrenräder und Pferdehufe, das Brüllen der Straßenhändler, die grellen Lieder der wandernden Musikanten und das Glockenläuten der Muffinverkäufer zu übertönen – Geräusche, die mir zusammengenommensonst eher Kopfschmerzen verursacht hätten, die ich jedoch nun mit neuer Zuneigung betrachtete.
Zweimal kam in jenem Sommer Mrs. Jenkins zu uns, und meine Schwester und ich erwiderten ihren Besuch.
»O je!«, rief diese freundliche Dame bei unserem zweiten Zusammentreffen bestürzt. »Ich sage Ihnen, ich weiß wirklich nicht, was unsere Isabella im Schilde führt. Sie schreibt tagaus, tagein Briefe, und es sind auch mehrere Schreiben für sie eingetroffen, aber sie will mir einfach nicht sagen, mit wem sie diese eifrige Korrespondenz pflegt. Es ist mir mit keinem meiner Versuche gelungen, sie davon abzubringen.«
Da ich durch mein Versprechen gebunden war, noch nichts über ihre Beziehung zu Mr. Wellington oder die Auflösung ihrer Verlobung mit Mr. Ashford verlauten zu lassen, konnte ich nichts beitragen, was die Sache erhellt hätte. Ich versuchte jedoch, Mrs. Jenkins’ Sorge zu verringern, in dem ich einige mir angemessen erscheinende Anmerkungen zu Isabellas Charakterstärke machte.
Ich glaube, während dieser sechs Sommerwochen speisten wir in mehr Cafés, als ich in den vergangenen vierunddreißig Jahren meines Lebens je frequentiert hatte, zogen uns auch einige Male zum Dinner in die imposante Residenz der Familie Ashford an der Park Lane zurück, die einen herrlichen Blick auf das ungeheuer ausgedehnte Grün des Hyde Park an der westlichen Grenze von Mayfair bot. Die prächtigen Räume dieses Hauses standen in Abwesenheit von Mr. Ashfords Vater und Schwester leer, wurden jedoch von getreuen Bediensteten geführt, die beflissen waren, Mr. Ashford jeden Wunsch zu erfüllen.
Wir besuchten verschiedene Konzerte und Aufführungen im Theater, sahen uns das Liverpool Museum und dieBritish Gallery an, sowie die modisch eleganten Geschäfte der Bond Street, wo ich es kaum wagte, die Preisschilder anzuschauen, und es Mr. Ashford nicht erlaubte, mir auch nur eine einzige Kleinigkeit zu kaufen.
Auf verschiedenen dieser Ausflüge begleitete uns Cassandra (die eine Rückkehr nach Chawton in Erwägung gezogen hatte, sich aber von der begeisterten Eliza hatte überreden lassen, den ganzen Sommer zu bleiben). Manchmal kamen auch Eliza und Henry mit. Doch in unserem Alter brauchten wir keine Anstandsdame mehr, und meistens zogen wir es vor, unsere Zeit nur zu zweit zu verbringen. Eine unserer liebsten Beschäftigungen war ein Spaziergang durch die Kensington Gardens, die herrlich erblüht waren. Dort fanden wir eine Bank mit Blick auf einen Teich, zu der wir immer wieder zurückkehrten, einfach nur, um dort zu sitzen und zu reden, Vertraulichkeiten miteinander auszutauschen und uns an der Gegenwart des anderen zu erfreuen.
Eines Nachmittags Mitte September, als wir wieder einmal auf dieser Lieblingsbank im Park saßen, verkündete Mr. Ashford, er hätte mein Buch zu Ende gelesen.
»Oh?«, erwiderte ich, und mein Herz machte einen erschrockenen Sprung. Henrys Bemühungen, einen Verleger zu finden, waren trotz all der guten Verbindungen, die er während der Abendgesellschaft geknüpft hatte, bisher vergeblich gewesen. Auf Mr. Ashfords Drängen hin hatte ich ihm trotz meiner Vorbehalte erlaubt, das Manuskript zu lesen. Ich hatte voller Schrecken auf seine Reaktion gewartet und fürchtete, einige Situationen in diesem Roman könnten ihm nicht ganz unbekannt vorkommen, da sie eindeutig von meinen Begegnungen mit ihm inspiriert waren.
»Der Roman ist klug und in wunderbarem Stil geschrieben, alles, genau wie ich es von Ihnen erhofft und erwartet hatte«, sagte er nun. »Sie können sehr stolz darauf sein.«
»Ich freue mich sehr, dass er Ihnen gefällt«, erwiderte ich erleichtert. Vielleicht, überlegte ich, hatte er seine eigene Verbindung mit dieser Geschichte doch nicht bemerkt. »Im Augenblick ist
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