Die geheimen Memoiren der Jane Austen - Roman
großer Entschlossenheit fort: »Miss Austen, Sie haben mir erlaubt, zu Ihnen zu sprechen, und ich habe meine Gefühle deutlich gemacht. Es ist mir bewusst, dass ich keinerlei Recht habe, Sie um irgendetwas zu bitten. Wenn Sie meine Gefühle nicht teilen, dann sagen Sie mir dies bitte unverzüglich, und ich werde Sie nie wieder belästigen.«
»Ich kann Ihnen das aber nicht sagen«, erklärte ich ihm und schaute ihm mit einem freudigen Lächeln in die Augen.
»Dann«, fragte er mit erneuerter Erwartung im ernsten Blick, »können Sie mich hoffen lassen?«
»Wenn Ihnen meine tiefste Zuneigung und Bewunderung Hoffnung schenken, dann ja.«
Rasch trat er noch näher zu mir, nahm meine behandschuhte Rechte in die seine, führte sie an die Lippen und küsste sie, während seine Augen nicht von meinem Gesicht wichen. »Dann darf ich endlich frei heraus die Worte sprechen, die es mich schon so lange zu sagen drängt. Ichliebe Sie, Jane, meine liebste Jane. Sie allein möchte ich heiraten. Wollen Sie mich haben, Jane? Wollen Sie meine Frau werden?«
Mein Herz war so sehr von Glück erfüllt, dass ich zu träumen glaubte. »Ja«, antwortete ich atemlos, »das will ich.«
Er warf mir einen Blick reinster Freude zu, neigte seinen Kopf zu mir herab und – wage ich es niederzuschreiben? – führte seine Lippen an meine und küsste mich.
Dieser hinreißende Augenblick wurde rüde unterbrochen, als plötzlich Cassandra zur offenen Tür hereingestürzt kam. Sie schaute verdutzt und rief meinen Namen. Als sie uns am anderen Ende des Raumes wahrnahm, blieb sie schockiert und verlegen wie angewurzelt stehen und schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund.
»Oh, Verzeihung!«, rief sie, und ihr Gesicht wurde puterrot. »Es tut mir so leid.«
Mr. Ashford ließ mich los und trat zwei Schritte zurück.
»Cassandra«, hob ich an, doch sie hatte bereits kehrtgemacht und war entflohen.
Mr. Ashfords Augen trafen die meinen, und wir lachten prustend. Dann nahm er mich wieder in die Arme und küsste mich wieder und wieder und wieder.
Kapitel 24
Manche Menschen klagen, der August in London gleiche einem Monat im Hades, die heiße, stickige, feuchte Luft, die von der Themse aufsteigt, sei ungesund und verstopfe einem die Lungen, die Straßen begännen in Anblick und Geruch einem Stall zu gleichen und die gleißende Sonne, die von den Gebäuden und Trottoirs widergespiegelt wird, sei schlecht für den Teint. Aber all diesen Schwarzsehern antworte ich nur: »Pah!« London ist zu jeder Jahreszeit eine herrliche Stadt, und in jenem seligen August 1810 hatte ich erst recht keine Augen und Ohren für derlei Einwände.
Au contraire
, ich schwebte wie auf Wolken durch den restlichen August und auch noch den folgenden Monat, als wäre ich in einem vollkommenen Traum befangen.
Außer meiner Schwester erzählte ich niemandem von meiner heimlichen Verlobung, und ihr nahm ich das hochheilige Versprechen ab, keiner Menschenseele auch nur ein Sterbenswörtchen davon zu verraten. Mr. Ashford war enttäuscht, dass wir noch warten mussten. Er wollte am liebsten der ganzen Welt seine Liebe zu mir verkünden, meinte er, und sofort ein Datum für die Hochzeit festlegen. Aber Isabella flehte ihn an, nicht von ihrer Beziehung zu Mr. Wellington zu sprechen, bis sie die Angelegenheit mit ihrem Vater geklärt hatte, der frühestens in einem Monat von den Westindischen Inseln zurückerwartet wurde. Mr. Ashfords Vater weilte gegenwärtig in Derbyshire, plante aber, im Oktober nach London zurückzukehren.Das Beste, fanden wir, würde es sein, Sir Thomas die Neuigkeiten persönlich zu sagen, sobald er wieder in der Stadt war und nachdem sich Isabella förmlich und öffentlich mit Mr. Wellington verlobt hatte.
In der Zwischenzeit hatte sich Mr. Ashford vorgenommen, dass ich alle Sehenswürdigkeiten Londons genießen sollte, die mich interessieren könnten. Er wollte dabei mein Stadtführer sein. Zunächst kletterten wir die 378 Stufen zur Steingalerie in der Kuppel der St. Paul’s Kathedrale hinauf, wo wir einen herrlichen Blick über die Innenstadt hatten, die sich von Billingsgate bis Westminster am Fluss entlang erstreckte. Die Grenzen wurden durch die Felder und Wäldchen im Norden und Süden deutlich markiert, und im Westen konnte man Hyde Park Corner erkennen. In der Ferne entdeckten wir das Dörfchen Paddington und eine Wiesenlandschaft namens Belgravia.
Wir bewunderten, was im Westen einmal die Königliche Stadt Westminster gewesen war, mit den
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