Die geheimen Memoiren der Jane Austen - Roman
ich, musste ich mit Ihnen reden …«
»Ich wüsste nicht, warum wir miteinander sprechen sollten, Mr. Ashford«, erwiderte ich scharf. Die Worte waren mir schon über die Lippen, ehe ich mir Einhalt gebieten konnte.
»Ich nehme es Ihnen nicht übel, dass Sie wütend auf mich sind. Auch nicht, dass Sie meine Briefe zurückgeschickt haben. Aber bitte glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage, dass ich Ihnen niemals wehtun wollte. Und ich …«
»Maßen Sie sich bitte nicht an, etwas über meinen Schmerz zu wissen, Mr. Ashford.« Zu meiner Beschämung traten mir unerwartete Tränen in die Augen. Ich sah mich außerstande, diese quälende Unterhaltung noch länger fortzusetzen, und sagte: »Verzeihen Sie mir. Es war sehr freundlich von Ihnen, dass Sie gekommen sind. Aber sollten Sie den Abend nicht mit Ihrer Verlobten verbringen?«
Ich wandte mich ab und eilte durch die Menschenmenge davon, erleichtert, dass mir die Flucht gelungen war. Kaum hatte ich den sicheren Hafen des hinteren Salons erreicht, in dem sich keinerlei Gäste befanden, als ich zu meinem Entsetzen Schritte unmittelbar hinter mir hörte und Mr. Ashfords Rufe vernahm: »Miss Austen! Bitte warten Sie doch!«
Ich eilte quer durch den leeren Raum auf die Kartentische im hinteren Teil zu. »Ich wäre Ihnen wirklich sehr verbunden, Sir, wenn Sie mich sofort verlassen würden.«
»Ich kann nicht gehen! Bitte, Miss Austen, hören Sie mich an!«
»Es gibt nichts, was Sie sagen könnten, Sir, das ich zu hören wünsche.«
»Ich habe zu lange gewartet, ich kann es nicht mehr aushalten. Sie müssen mich anhören! Am Tag, als Isabella geboren wurde, haben unser
Väter
beschlossen, dass wirheiraten würden.« Seine beklommenen Worte und sein gequälter Ton ließen mich auf halbem Weg stehen bleiben.
»Es wurde ein feierlicher Pakt zwischen zwei alten Freunden besiegelt«, fuhr er fort, »dass die Hochzeit irgendwann nach Isabellas achtzehntem Geburtstag stattfinden sollte. Ich war am Tag ihrer Geburt siebzehn Jahre alt, und sie war ein neugeborener Säugling. Ich protestierte, bat meinen Vater, seine Entscheidung noch einmal zu überdenken, aber ohne Erfolg. Niemand dachte an meine Bedürfnisse und mein Glück oder an ihres. Die beiden wollten nichts als unsere Familien miteinander verbinden.«
Ich wandte mich langsam zu ihm um. Er stand nur noch kaum zwei Schritte entfernt und sprach mit wachsender Erregung. Seine gequälte Miene, der Schmerz, der aus all seinen Zügen sprach, erfüllten mich mit einer Welle der Pein und des Mitgefühls, die mir schier das Herz zerriss.
»Ich war lange nicht zu Hause, verbrachte viel Zeit im Internat, während sie heranwuchs. Aber immer war mir bewusst, dass dieses kleine Mädchen, dieses Kind eines Tages meine Frau sein würde. Mein Vater machte mir deutlich klar, dass dies meine Pflicht wäre«, zischte Mr. Ashford mit tiefer, wuterfüllter Stimme. »Ich habe im Laufe der Jahre natürlich andere Frauen kennengelernt, mir aber nie gestattet, mehr als nur Freundschaft für sie zu empfinden. Ich konnte es nicht, denn mir blieb keine Wahl. Ich begann Isabella wie eine Schwester zu achten und hoffte, dass das ausreichen würde. Und dann«, fügte er mit endlich wieder weicher werdender Stimme hinzu, »dann habe ich
Sie
kennengelernt.«
Seine Augen schauten in meine, und sein Blick war so voller Zuneigung, dass mir beinahe das Herz stehenblieb.
»Ich wusste sofort, als wir uns in Lyme trafen, dass zwischen uns eine tiefe und kaum je gespürte Verbindung bestand, etwas, von dem die meisten Menschen nur träumen können. Ich wusste ebenfalls, dass ich Ihnen von meiner Verpflichtung Isabella gegenüber hätte erzählen müssen, aber an jenem ersten Tag war alles so wunderbar und vollkommen. Sie sprühten nur so vor Leben, und unsere Gespräche waren so erfrischend, dass ich nichts sagen wollte, was diesen Zauber zerstört hätte. Ich gelobte mir, am nächsten Tag beim Picknick meine Lage zu erklären, aber dazu ist es ja nie gekommen. Ich kehrte schweren Herzens nach Hause zurück, weil ich glaubte, ich würde Sie niemals wiedersehen, und ich ergab mich resigniert in mein Schicksal. Doch jeder Augenblick, den ich in Isabellas Gesellschaft verbringen musste, erinnerte mich nur umso mehr daran, wie schlecht wir zueinander passten. Ich liebte sie nicht und würde das auch niemals können, und es war offensichtlich, dass auch sie mich nicht liebte. Erneut flehte ich meinen Vater an, mich aus meinem Verlöbnis zu befreien, doch er wurde
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