Die geheimen Memoiren der Jane Austen - Roman
der einzige Nutzen des Manuskripts, die Küchentür aufzuhalten.«
Er lachte. »Der Roman sollte, nein, er muss veröffentlicht werden.«
»Ich fürchte, mein Ausflug ins Verlagswesen ist ein sehr ernüchterndes Erlebnis gewesen.«
»Vielleicht kann ich Ihnen da behilflich sein. Ich habe selbst auch ein, zwei Kontakte. Wenn Sie mir gestatten, würde ich mich gern für Sie bemühen.«
»Ich wäre Ihnen sehr dafür verbunden. Aber Sie müssen mir versprechen, dass Sie sich nicht die Schuld geben, wenn nichts daraus wird. Um ehrlich zu sein, bin ich inzwischen überzeugt, dass mein kleines Buch ein schlechtes Geschäft für einen Verleger wäre. Ich kann mir nicht vorstellen, dass überhaupt genügend Exemplare verkauft werden, um die Kosten zu decken.«
»Ich bin ganz anderer Meinung. Es ist vielleicht nicht perfekt, aber ich glaube, dass es ein Kunstwerk ist, das gut genug ist, um eine sehr große Anzahl von Exemplaren zu verkaufen und einen guten Gewinn einzubringen.«
»Was? Nicht perfekt?«, rief ich in gespielter Empörung. »In welchem Aspekt, sagen Sie mir bitte, ist mein Buch, dieses Kunstwerk, das niemand veröffentlichen will, nicht vollkommen?«
»Ich kann mich nicht mehr genau erinnern«, erwiderteer, »aber es war eine Kleinigkeit, die mit dem Ende zu tun hat. Ich meine, dass ich das Gefühl hatte, als fehlte etwas oder als wäre etwas nicht ganz richtig.«
»Ich verstehe. Sollten Sie sich je Ihre Gedanken zu diesem Punkt wieder in Erinnerung rufen können, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie sie mir mitteilen könnten.«
»Das mache ich.« Er lächelte und fügte mit einem Seitenblick hinzu: »Da war noch etwas anderes, muss ich gestehen – keineswegs ein Anzeichen mangelnder Vollkommenheit, aber mir sind doch einige Aspekte des Romans, sagen wir, vertraut vorgekommen.«
Brennende Röte überzog meine Wangen. »Ach, wirklich?«
»Zum Beispiel verspürt Ihre Elinor eine tiefe Zuneigung zu diesem Edward, einem ziemlich langweiligen, wenn auch liebenswerten Burschen, nur um später, nachdem er sie verlassen hat, ohne ein Wort über ihre engere Beziehung zu verlieren, herauszufinden, dass er schon lange mit einer anderen verlobt ist. Und dann trifft sie einmal gleichzeitig mit Edward und Lucy zusammen.« Das wissende und beunruhigende Funkeln in seinen Augen und die hochgezogenen Brauen verrieten mir ohne viele Worte, wie genau er seine eigene Rolle bei der Entstehung dieser Szenen kannte.
»Es waren sehr dramatische Situationen«, erwiderte ich und verfluchte im Stillen meine Neigung zum Erröten.
»Und offensichtlich Szenen, die Sie mit eigenen Einsichten bereichern konnten. Ich muss zugeben, als ich sie in Ihrem Buch las, standen mir an manchen Stellen die Haare zu Berge. Der Augenblick im Salon von Mr. Mortons Pfarrhaus, als ich Sie und Isabella antraf, wird für immerals einer der peinlichsten Momente meines Lebens in mein Gedächtnis eingebrannt sein.«
»Auch in meines«, erwiderte ich und verspürte noch einmal all die Verlegenheit bei dem Gedanken, wie viel Unbehagen ihm diese Szene beim Lesen bereitet haben musste. »Jetzt verstehen Sie gewiss, warum ich so gezögert habe, Sie mein Buch lesen zu lassen.«
»Ich bin froh, dass ich es trotzdem getan habe.« Er wandte sich auf der Bank zu mir hin. »Sagen Sie mir, Jane, sehe ich all dies zu persönlich, oder ist in Ihre Beschreibung des Willoughby auch ein Teil Ihres Zorns auf mich eingeflossen?«
Seine Miene war so ernst, und er wirkte so verloren, dass es mein Herz rührte, und doch konnte ich mir aus irgendeinem Grunde das Lachen nicht verkneifen. »Vielleicht war das so«, räumte ich ein. »Willoughby ist ziemlich widerwärtig, nicht?«
»Er ist der Inbegriff des selbstsüchtigen Schurken. Am anderen Ende des Spektrums befinden sich natürlich Colonel Brandon und Edward – der trotz seiner Vergehen am Schluss geradezu als Heiliger dargestellt wird.«
»Edward ist kein Heiliger!«, erwiderte ich hitzig, und meine laute Stimme scheuchte einen Schwarm Vögel aus einem Baum in der Nähe auf.
»Doch, das ist er! Sein Ehrgefühl und seine Moral sind so hoch entwickelt, dass er seiner vulgären, geldgierigen Verlobten bis zum bitteren Ende treu ergeben bleibt, obwohl sie ihm jeden Anlass gibt, die Verbindung zu beenden.«
»Haben Sie nicht genau das auch gemacht?«, fragte ich leise.
Er wurde einen Augenblick lang ganz still, konzentrierteall seine Aufmerksamkeit auf die Enten, die im Teich herumplatschten. »Das habe ich wohl«,
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