Die geheimen Memoiren der Jane Austen - Roman
erwiderte Mrs. Jenkins. »Als Isabellas Vater Mr. Wellington wissen ließ, dass er sie heiraten könnte, dass sie aber ohne einen Penny dastehen würde, nahm dieser Schuft seinen Heiratsantrag zurück und verschwand auf Nimmerwiedersehen in der Nacht, ohne sich auch nur ein einziges Mal umzuschauen!«
»Die arme Isabella!«, sagte Cassandra.
»Die glückliche Isabella, wenn Sie mich fragen!«, rief Mrs. Jenkins. »Gerade noch einmal davongekommen! Können Sie sich die verheerenden Folgen vorstellen, die es gehabt hätte, wenn sie ihre törichte Absicht wahrgemacht und diesen Schurken geheiratet hätte? Aber Gott sei Dank ist nicht alles verloren. Ihre frühere Verlobung ist inzwischen wiederhergestellt.«
»Wiederhergestellt?«, keuchte ich, und das Herz klopfte mir bis in den Hals.
»Ja! Zum Glück! Ihr Vater hat darauf bestanden, wenn jemand schon Isabella um ihres Geldes willen heiraten würde, dann könnte es genauso gut Mr. Ashford sein.«
Meine Gedanken waren in einem solchen Tumult und solcher Verwirrung, dass ich meinte, mich verhört zu haben. »Was meinen Sie damit, Mrs. Jenkins? Sicherlichwürde doch Mr. Ashford Isabella niemals wegen ihres Geldes heiraten? Er ist doch selbst ungeheuer reich.«
»Das haben wir alle geglaubt«, antwortete Mrs. Jenkins und schüttelte traurig den Kopf. »Das war die Familie ja auch über viele Generationen hinweg. Ich bin mir sicher, dass Mr. Ashford keine Vorstellung davon hatte, wie schlimm es um sie bestellt war, ehe ihm Sir Thomas gestern Abend die schrecklichen Neuigkeiten mitteilte. Sir Thomas hat anscheinend jahrelang seine Finanzen außerordentlich schlecht verwaltet. Er hat für sein Gut so viel Geld ausgegeben und zudem sehr unklug investiert, sodass er nun alles mit einer einzigen spektakulären Investition auf eine Karte setzen wollte. Also legte er das Wenige, was von seinem Vermögen noch geblieben war, in einer Handelsflotte an. Und nun hat er gerade erfahren, dass die Flotte ohne eine Marineeskorte aus Spanien zurückkehrte und unterwegs von den Franzosen angegriffen und versenkt wurde. Der größte Teil der Mannschaft konnte gerettet werden, aber nicht alle, und die Schiffe selbst und die Ladung sind verloren. Es ist eine schreckliche Tragödie, nicht nur wegen der Menschenleben, sondern auch für die Geldgeber. Sir Thomas ist ruiniert, und seine Familie so gut wie bankrott.«
Mir fiel das Atmen schwer. »Bankrott?«
»Es ist alles so schrecklich! Sir Thomas ist am Rande eines Schlaganfalls. Ich sage Ihnen, mein Herz fühlt mit ihnen allen, mit der ganzen Familie. Der Mann ist ohnehin seit dem Tod seiner Frau nie wieder der Gleiche gewesen, hat Geld mit vollen Händen zum Fenster herausgeworfen wie ein gedankenloser junger Mann, hielt seinen Sohn und Erben, der meiner Meinung nach sehr viel klüger ist als er, im Ungewissen über seine Investitionen.Nun laufen sie sogar Gefahr, Pembroke Hall und all ihre Besitztümer zu verlieren. Natürlich können sie nichts davon verkaufen oder mit einer Hypothek belasten, da es durch die Erbbestimmungen unveräußerlich ist. 46 Die einzige Chance, den Besitz zu retten, ist, dass Mr. Ashford wie geplant unsere Isabella heiratet. Aber nun werden sie nicht einmal bis Weihnachten warten können. Die Hochzeit soll schon in vierzehn Tagen gefeiert werden. Jane, ist Ihnen nicht gut?«
»Nein …«, versuchte ich zu antworten, aber es kam mir kein Laut über die Lippen.
»Sie ist bestürzt«, schaltete sich Cassandra rasch ein, sprang von ihrem Stuhl auf und stellte sich hinter mich, die Hände beruhigend auf meine Schultern gelegt. »Um Isabellas willen.«
»Ich habe gerade die letzte halbe Stunde bei dem armenMädchen verbracht«, erzählte Mrs. Jenkins, und Tränen traten ihr in die Augen. »Sie ist außer sich vor Kummer. Aber sie ist noch jung, sie wird sich davon erholen. Mr. Ashford ist ein guter Mann und eine hervorragende Partie, selbst unter diesen Umständen, und dann muss man ja auch an den Adelstitel denken. Isabella wird eines Tages Lady Ashford werden, Herrin von Pembroke Hall, einem sehr, sehr schönen Anwesen. Wenn ihr Geld das Haus vor den Gläubigern retten kann, dann kann ich nur sagen, es ist doch noch alles gut ausgegangen. Beide bringen etwas in diese Ehe mit, und der Rest wird sich schon ergeben. Das ist doch immer so.«
»Ich bin sicher, da haben Sie recht«, antwortete meine Schwester, aber ihre Stimme klang nicht sonderlich überzeugend. Dann gab sie vor, erst jetzt zu bemerken, dass sich
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