Die geheimen Memoiren der Jane Austen - Roman
querdurch den Raum auf uns zu, um meine Schwester und mich mit einem strahlenden Lächeln und einer herzlichen Umarmung willkommen zu heißen. »Was für eine Freude, zwei so wunderschöne neue Gesichter in diesem Raum voller hübscher Damen zu sehen! Es ist schon viel zu lange her, dass wir mit der Gegenwart einer Miss Austen beehrt wurden, das kann ich Ihnen sagen. Wenn ich an all die Jahre zurückdenke, in denen ihr Mädchen beinahe mit uns in diesem Hause gewohnt habt, und an all das Gelächter und Gekicher, das nach einem Ball oben in den Schlafzimmern bis tief in die Nacht hinein zu hören war! Nun, manchmal habe ich ganz vergessen, welche von den Mädchen meine waren, und hielt euch alle für meine Töchter. Ich hoffe, Sie bleiben jetzt recht lange bei uns.«
Das versprachen wir ihm. Der Squire war ein Mann von großer Charakterstärke, Ehrbarkeit und Würde; er hatte als fähiger und wohltätiger Friedensrichter auf dem Land gewirkt, und meiner Meinung nach war er einer der besten und großzügigsten Männer, die ich je kennengelernt hatte. Seine einzigen Fehler, wenn man sie denn Fehler nennen konnte, waren seine Neigung zur Langatmigkeit, wenn er auf eines seiner Lieblingsthemen kam, und seine ziemlich strenge Einstellung seinem Sohn gegenüber.
»Ihr wisst ja, dass Harris aus Oxford zurück ist«, sagte er. »Kaum zu glauben, aber der Junge hat es wahrhaftig geschafft, sein Studium abzuschließen.«
»Es sollte dich nicht derart überrascht haben, dass Harris die Universität abgeschlossen hat, Papa«, meinte Alethea vorwurfsvoll. »Harris ist klüger, als du glaubst.«
»Ein klügerer Junge würde doch mehr mit seiner Zeitanzufangen wissen, als den ganzen Tag in teuren hessischen Stiefeln herumzulungern und auf die Jagd zu reiten«, sagte der Squire.
»Harris ist kein Junge mehr, Papa«, merkte Catherine an. »Er ist im Mai volljährig geworden.«
»Harris ist einundzwanzig?«, sagte ich voller Überraschung und fragte mich, wo die Jahre geblieben waren. Ich hatte Harris einige Zeit nicht mehr gesehen, denn er war im Internat gewesen, erinnerte mich aber daran, dass er ein schüchterner, ungelenker und manchmal unhöflicher junger Mann war, der häufig erkrankte und unter heftigem Stottern litt. Sein Vater, der sich um die Gesundheit seines Sohnes sorgte und fürchtete, dass ihn die anderen Jungen wegen seines Sprachfehlers hänseln würden, hatte ihn in den Kinderjahren zu Hause von einem Privatlehrer unterrichten lassen.
»Er ist so gewachsen, dass ich zu behaupten wage, du würdest ihn nicht wiedererkennen«, sagte Elizabeth.
»Nein, derjenige, der den Preis dafür bekommt, dass er so schön wächst, ist mein Enkel«, erklärte der Squire, was Elizabeth vor mütterlichem Stolz strahlen ließ. »Haben Sie schon unseren William kennengelernt?« Als wir äußerten, dieses Vergnügen hätten wir noch nicht gehabt, ließ er den Jungen sofort aus der Kinderstube nach unten bringen. William stellte sich als ein lebendiges, gutgelauntes Bübchen von neunzehn Monaten heraus, das mit seinem bezaubernden Lächeln sofort mein Herz eroberte. »Das ist mal ein Knabe, der es weit bringen wird«, meinte der Squire. »Eines schönen Tages wird er der 5. Baronet von Hursley Park, wird eine Unmenge von öffentlichen Ämtern bekleiden und seiner Familie alle Ehre machen, das könnt ihr mir glauben.«
Nachdem der junge William wieder in die Kinderstube verfrachtet worden war und der Squire den Raum verlassen hatte, überredeten Cassandra und ich unsere Freundinnen zu einem Spaziergang im Garten. Der Novembernachmittag war frisch, der Himmel jedoch strahlend blau. Wir hüllten uns in unsere Umhänge, zogen Hüte und Handschuhe an und spazierten über die gewundenen Pfade und an den sorgfältig gepflegten Hecken vorüber.
»Wie wunderschön diese immergrünen Bäume sind!«, rief ich und atmete tief den berauschenden Duft ein, der von einem kleinen Zedernwäldchen in der Nähe herüberwehte. »Manche Menschen ziehen vielleicht Bäume vor, die ihr Laub abwerfen, aber zu Winteranfang, wenn alle anderen Wälder so kahl und finster dastehen, sind Nadelbäume wahrhaft königlich und erfreuen das Auge mit all ihrer Pracht. Ist es nicht wunderbar, dass der gleiche Erdboden und die gleiche Sonne Pflanzen ernähren, die sich im ersten und wichtigsten Gesetz ihrer Existenz so sehr unterscheiden?« 18
»Nur Jane würde es einfallen, so von einem Baum zu schwärmen!«, merkte meine Schwester mit einen Lächeln an.
»Ich kann
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