Die geheimen Memoiren der Jane Austen - Roman
glücklichen Haushalt mit sieben oder acht Kindern gesehen«, meinte Cassandra, die sich zweifellos auf unsere eigene Familie bezog sowie auf die Brut unseres Bruders Edward und seiner Frau Elizabeth.
»Und doch sind vielleicht vier oder fünf praktischer«, meinte Catherine.
»Ja, vier, das wäre wohl ideal!«, stimmte ihr Alethea mit einem Seufzer zu.
Ich stellte plötzlich fest, dass ich keine Debatte zu diesemThema führen konnte. In wenigen Wochen würde ich siebenundzwanzig werden. Ich hatte immer gehofft, dass ich eines Tages heiraten und Kinder bekommen würde. »Vier«, hörte ich mich mit so leiser Stimme sagen, dass ich sie selbst beinahe nicht erkannte, »vier wäre wirklich eine sehr schöne Zahl.«
Wir spazierten noch einige Minuten schweigend weiter, jede in ihre Gedanken versunken, als ich plötzlich in der Ferne einen massigen Mann zu Pferd in unsere Richtung reiten sah, der offensichtlich mit zwei Hunden von der Jagd zurückkehrte. Ich dachte, es sei vielleicht ein neuer Nachbar, ein Bediensteter oder ein weiterer Besucher, als ich Catherine rufen hörte: »Schaut doch! Da kommt Harris. Jetzt könnt ihr selbst sehen, wie groß und stattlich er geworden ist.«
Ich starrte Harris an, der zu uns herangeritten kam und sein Ross zügelte, während sich seine Hunde artig neben ihn ins Gras legten. Der kleine, ungelenke Junge, an den ich mich erinnerte, war tatsächlich mit einundzwanzig zu einem großen, breitschultrigen Mann herangewachsen. Doch sonst hatte sich nicht viel verändert. Er hatte immer noch ein sehr unansehnliches Gesicht, und seine Körperhaltung, wie er uns da vom hohen Ross herab anschaute, konnte man nur als gehemmt und verschlossen bezeichnen. Ich fragte mich, wie schon so oft in der Vergangenheit, wie wohl eine Familie mit so vielen eleganten und entwaffnend charmanten Töchtern einen so ungelenken und unattraktiven Sohn hervorbringen konnte.
»Wie war die Jagd?«, erkundigte sich Elizabeth. »Es sieht ganz so aus, als hättest du eine gute Beute gemacht.«
Harris warf Cassandra und mir einen hastigen Blick zu, antwortete aber nicht.
»Was für eine wunderschöne Stute«, sagte ich in dem Versuch, ihm über seine Schüchternheit hinwegzuhelfen. »Ich kenne sie nicht. Ist sie neu?«
Immer noch schwieg Harris, während seine gefurchte Stirn darauf hindeutete, dass er vermutlich in tiefes Nachdenken versunken war.
»Harris hat sie vor zwei Wochen gekauft«, antwortete Alethea.
»Wie heißt sie?«, wollte Cassandra wissen.
Harris machte den Mund auf, klappte ihn wieder zu und öffnete ihn dann wieder. »F-f-f-felicity«, würgte er schließlich hervor.
»Was für ein schöner Name«, sagte ich. In der Hoffnung, Harris’ Leiden zu beenden, lächelte ich und sagte: »Wir freuen uns alle darauf, Sie heute Abend beim Essen wiederzusehen, Harris.«
Er verzog das Gesicht. »W-w-w-wir w-w-w-wollen hoffen, dass die Köchin etwas aufträgt, dass z-z-z-zur Abwechslung einmal g-g-g-genießbar ist.« Dann nickte er, zog aber nicht den Hut und ritt davon.
An jenem Abend versammelte sich unsere Gesellschaft in dem prächtig eingerichteten Speisezimmer, wo zu Ehren unseres Besuchs ein köstliches Mahl bereitet war. Die Köchin hatte ihre Sache hervorragend gemacht und bewiesen, dass Harris’ Kritik völlig unbegründet war.
»Der Wein ist exzellent, Squire«, sagte ich. »Ich weiß nicht, wann ich zuletzt einen vollmundigeren Rotwein gekostet habe. Ist er zufällig spanischer Herkunft?«
»Sie haben recht, Miss Austen«, erwiderte der Squire.»Er stammt aus Sevilla, einem ganz neu entdeckten Weinanbaugebiet, und ist sehr schwer zu bekommen.«
»Vater ist sehr stolz auf seine Weine«, meinte Catherine.
»Harris, du hast deinen wieder einmal kaum angerührt«, mahnte der Squire seinen Sohn.
»Du weißt doch, ich k-k-k-kann deinen spanischen W-w-w-wein nicht leiden, Papa.« Harris saß neben seinem Vater, der am Kopf der Tafel Platz genommen hatte. Er hing schlapp auf seinem Stuhl und schien sich recht unbehaglich zu fühlen. »Ich habe eine K-k-k-kleinigkeit bestellt, die deine G-g-g-gäste vielleicht v-v-v-vorziehen.«
»Junger Mann, darf ich dich daran erinnern, dass eines Tages mein gesamter Weinkeller dir gehören wird?«, erwiderte der Squire ziemlich verärgert. »Du musst lernen, das alles zu schätzen. Ich bestehe darauf, dass du deinen Wein austrinkst.«
»Das w-w-w-werde ich nicht tun, Sir. Der sch-sch-sch-schmeckt sch-sch-scheußlich.«
Das Gesicht des Squire rötete
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