Die geheimen Memoiren der Jane Austen - Roman
für die Absage unserer heutigen Verabredung und für alle etwaigen Ungelegenheiten entgegen, die Ihnen dadurch entstehen mögen. Ich hoffe und vertraue darauf, dass wir in der nahen Zukunft wieder einmal Gelegenheit finden, unsere Bekanntschaft zu erneuern.
Mit freundlichsten Grüßen
verbleibe ich Ihr
Frederick Ashford
»Eine dringende Familienangelegenheit!«, sagte ich leise, als Henry mir den Brief reichte, damit ich ihn selbst noch einmal durchlesen konnte. »Was wohl geschehen ist? Ich hoffe, es ist nichts Ernstes.«
»Das hoffe ich auch«, fügte Henry hinzu. »Nun, Jane, das ist eine herbe Enttäuschung.«
Für ihn konnte sie nicht halb so schmerzlich gewesen sein wie für mich.
Zehn Tage später kehrte ich in unruhigem Gemütszustand nach Southampton zurück. Die Bälle in der Assembly Hall von Lyme hatten für mich keinen Reiz mehr gehabt, und selbst das Baden im Meer, das ich früher immer so genossen hatte, war mir vergällt, so betrübt war ich über die plötzliche Abreise meines neuen Freundes und die damit verbundene Ungewissheit, ob ich je wieder etwas von ihm sehen oder hören würde.
»Warum hat er nicht geschrieben?«, fragte ich meine Schwester, als wir uns eines Abends bettfertig machten. Es waren einige Wochen verstrichen, seit Henry wieder nach London zurückgefahren war.
»Erwartest du denn, dass er dir schreibt?«, erkundigte sich Cassandra verwundert.
Ich hatte ihr alle Einzelheiten meiner Begegnung mit Mr. Ashford berichtet, sowohl in meinen Briefen aus Lyme, als auch seither in verschiedenen Unterhaltungen. Aber ich hatte ihr das Versprechen abgenommen, Martha oder meiner Mutter kein Sterbenswörtchen davon zu verraten, weil ich wusste, dass
diese beiden
monatelang nur über dieses eine Thema reden würden, wenn sie den leisesten Verdacht hegten, ich hätte einen Gentleman kennengelernt, an dem ich das geringste Interesse verspürte.
»Ich dachte, das würde er vielleicht machen«, antwortete ich. Wir saßen Seite an Seite vor unserem Spiegel, zogen uns die Haarnadeln aus der Frisur und bürsteten kraftvollunser langes braunes Haar. »Ich mochte ihn sehr gern, und ich glaube – ich
spürte
, dass er mich auch mochte.«
»Ich dachte, du hättest gesagt, du hättest keine Gelegenheit gehabt, ihm unsere Adresse zu geben.«
»Das stimmt. Aber er hätte sie doch von Henry bekommen können, wenn er an
ihn
geschrieben hätte. Henry hat mir berichtet, dass er mit Mr. Churchill Adressen ausgetauscht hat.«
»Selbst wenn er dir geschrieben hätte, Jane, dann hättest du ihm nicht antworten können. Es würde sich nicht ziemen.«
»Das ist mir bewusst. Aber nur von ihm gehört zu haben, selbst wenn es bloß ein, zwei Zeilen wären … Seine Abreise kam so plötzlich, und die Gründe dafür blieben ein wenig im Dunkeln. Eine dringende
Familienangelegenheit
, mehr hat er nicht geschrieben. Ich wüsste zu gern, ob er … ob es ihm gut geht. Und ob es vielleicht eine Möglichkeit gibt, dass … dass wir einander eines Tages wiedersehen.« Wir stiegen in unsere Betten, und ich lehnte mich mit gerunzelter Stirn in die Kissen zurück. »Könnte es sein, dass seine Freunde etwas gegen mich hatten? Ich habe bemerkt, dass sie einander am Esstisch einen merkwürdigen Blick zuwarfen. Vielleicht erachten sie mich seiner Bekanntschaft für unwürdig.«
»Vielleicht«, stimmte mir Cassandra sanft zu, schaute mich vom Nebenbett her mitleidig an und fügte noch hinzu: »Jane, du hast mit Mr. Ashford in Lyme einige angenehme Stunden verbracht, mehr nicht. Ich fürchte, du kannst nicht erwarten, je wieder von ihm zu hören.«
»Damit hast du wohl recht.« Ich spürte, wie mir die Tränen in die Augen stiegen, als meine Schwester die Kerze auslöschte und die Dunkelheit uns umfing.
Meine kürzlich geäußerten Bedenken, unser Aufenthalt in dem gemeinsamen Haushalt in Castle Square könnte nicht von Dauer sein, erwiesen sich schon bald als weise Voraussicht. Zwölf Monate später (in denen ich kein Wort von Mr. Ashford gehört hatte) schrieb mein Bruder Frank an seine Frau Mary und bat sie, sich im September in Yarmouth zu ihm zu gesellen, wenn die St. Albans von ihrer letzten Seereise zurückkehrte und in Stand gesetzt wurde. Von dort wollten sie dann in ein eigenes Haus umziehen.
»Ich möchte ein gemütliches kleines Häuschen finden, gerade groß genug für drei«, sagte Mary fröhlich und völlig ahnungslos darüber, welche Ängste diese Ankündigung bei den anderen vier Frauen in ihrem
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