Die geheimen Memoiren der Jane Austen - Roman
verächtlichen Schnauben.
»Nun, nur die umfassendste Kenntnis der menschlichen Natur«, erwiderte ich, »die gelungenste Darstellung ihrer Spielarten und die lebhafteste Fülle von Esprit und Humor, die der Welt in der gewähltesten Sprache dargeboten werden.«
»Hört, hört!«, rief Alethea, während die anderen Damen laut applaudierten.
»Nach meinem D-d-d-dafürhalten«, sagte Harris, »werden Romane nur von Sch-sch-schwachsinnigen gelesen und sind eine große Z-z-z-zeitverschwendung.«
»Das ist ein höchst ungalanter Einwurf«, sagte der Squire mit strenger Missbilligung, »da du doch sehr wohl weißt, wie gern deine Schwestern Romane lesen, und gerade gehört hast, dass Jane sich an mehreren Werken dieser Gattung versucht hat. Ich habe in letzter Zeit anmir eine neue Toleranz gegenüber Menschen entdeckt, seien es nun Damen oder Herren, die sich an einem guten Roman ergötzen, und das stünde dir auch gut an.«
Harris schien eher verärgert als verlegen über diese Zurechtweisung, doch ehe er antworten konnte, kam der Butler mit einer Terrine.
»Hier ist der P-p-p-punsch, den ich bestellt habe, zu d-d-d-deiner Ehre, V-v-v-vater.« Harris stand mit einem hämischen Grinsen auf, während der Butler für die gesamte Tafelgesellschaft Rotweinpunsch ausschenkte. »T-t-t-trink aus, Vater.«
Wir kosteten alle und verzogen das Gesicht. Es war ein schreckliches Gebräu, das schmeckte, als hätte man alle möglichen nicht zueinander passenden Weine vermischt. Angeekelt spie der Squire seinen Punsch ins Glas zurück. »Was um alles in der Welt ist das, mein Sohn?«
»Meine D-d-d-damen, mein Herr«, erwiderte Harris mit einer besonderen Verbeugung vor seinem Vater, »mein P-p-p-punsch ist wie ihr. Einzeln g-g-g-genommen seid ihr alle sehr g-g-g-gute Menschen, aber z-z-z-zusammengenommen seid ihr nicht g-g-g-genießbar.«
Ein lähmendes Schweigen folgte dieser Aussage. Harris setzte sich. Catherine, Elizabeth und Alethea schauten höchst verlegen. Die Stirn des Squire verzog sich in wütende Falten. Obwohl diese Anmerkung unerträglich ungezogen war, konnte ich nicht umhin, die komische Seite der Angelegenheit zu sehen, besonders wenn ich bedachte, welche Mühe es Harris gekostet haben musste, diesen Rachefeldzug zu planen. Meine Lippen begannen vor unterdrücktem Gelächter zu zucken. Ich erhaschte den Blick meiner Schwester und stellte fest, dass es ihrgenauso ging. Wir konnten unseren Frohsinn nicht mehr bezähmen und prusteten los.
Die Schwestern Bigg, die spürten, wie absurd die Szene war, wurden schon bald von unserem Frohsinn angesteckt und fielen in unser Gelächter ein. Selbst der Squire lachte schließlich schallend. Harris lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und sah außerordentlich zufrieden drein.
Eine Woche verging äußerst angenehm. Sie bereitete mich in keiner Weise auf das Debakel vor, das sich schon bald ereignen sollte. Harris bestellte keinen Rotweinpunsch mehr und hielt sich größtenteils zurück, obwohl ich öfter bemerkte, dass er mit der einen oder anderen Schwester tuschelte und diese Gespräche abrupt unterbrochen wurden, sobald Cassandra und ich in den Raum traten.
Am Donnerstag, dem 2. Dezember 1802, verbrachten wir gerade einen ruhigen Morgen mit den Schwestern Bigg im Salon, als Harris plötzlich in nervöser Anspannung ins Zimmer gestürmt kam. Alle drei Schwestern erhoben sich unverzüglich, jede behauptete, noch dringende Aufgaben zu erledigen zu haben, die sie beinahe vergessen hätte; und unter dem Vorwand, Cassandras Rat zu benötigen, entführten sie diese (zu deren größter Überraschung) ebenfalls. Ehe ich wusste, wie mir geschah, war ich plötzlich mit Harris allein im Raum.
Keiner von uns beiden sprach ein Wort. Harris stand vor dem Kamin, hatte eine seiner Pranken unbeholfen auf das Sims gelegt, während die andere schlaff an der Seite hing. Er blickte mit so starrer und ernster Mieneauf die Feuerstelle, als hätte er dort irgendeinen Defekt entdeckt. Er trug hellgelbe Kniehosen und die von seinem Vater schon öfters voller Verärgerung erwähnten neumodischen schwarzen Hessenstiefel, die ihm bis knapp unter das Knie reichten. Dieser Versuch, stilvoll zu erscheinen, wurde jedoch sogleich durch die massige, ungelenke Gestalt, die schweißglänzende Stirn und die ausdruckslose Miene zunichtegemacht.
Ich saß voller Überraschung auf dem Sofa, und mir dämmerte, dass dieses Zusammentreffen kein Zufall war. Vielleicht hatte Harris mir etwas mitzuteilen? Allerdings
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