Die geheimen Memoiren der Jane Austen - Roman
lächelte. »Verheimlichen Sie mir etwas, Mr. Ashford? Eine Unvollkommenheit in meinem Werk vielleicht, die Sie wahrgenommen haben?«
»
Einen
kleinen Vorschlag würde ich gern machen, wenn ich darf?«
»Aber bitte.«
»Der Name der Familie, Digweed.«
»Ja?«
»Das ist ein ganz besonders unschöner Name.«
»Aber wir haben alte Freunde, die Digweed heißen.«
»Bitte lassen Sie uns nicht auch noch unter diesem Namen leiden, wie diese Familie leiden muss.« Er schaute versonnen in den Wald, ins dichte Unterholz. Plötzlich hellte sich seine Miene auf. »Wie wäre es mit Wood? Oder Digwood? Dogwood? Dashwood? Das ist es! Dashwood. Das ist ein guter Name!«
»Dashwood«, wiederholte ich mit einem Nicken. Das hatte einen angenehmen Klang.
Als ich am nächsten Tag meine soeben fertiggestellten Seiten vorlas, bemerkte ich eine Veränderung an Mr. Ashford. Er schien bedrückt, was für ihn sehr ungewöhnlich war, und war mehrmals ganz in sich versunken. Als ich mich erkundigte, ob etwas geschehen sei, entschuldigte er sich und meinte, er sei nur einen Augenblick mit den Gedanken abgeschweift. Dann drängte er mich, doch bitte weiterzulesen.
Ich glaubte, Mr. Ashfords Melancholie sei vielleicht in der Aussicht begründet, dass er Ende der Woche nach Derbyshire zurückkehren musste, oder hätte mit unserembevorstehenden Umzug nach Chawton zu tun. Auch ich wurde von großer Traurigkeit ergriffen, wenn ich an die nahende Trennung dachte.
Mr. Ashford und ich hatten zwar unsere Bekanntschaft erst vor einigen Wochen erneuert, doch ich konnte nicht umhin, eine aufrichtige und wachsende Vertrautheit zwischen uns festzustellen. Wenn wir getrennt waren, dachte ich an kaum etwas anderes als ihn, außer in den Stunden, die ich mit Schreiben verbrachte. Mein Herz pochte schneller, wenn ich hörte, wie draußen seine Kutsche vorfuhr und seine Schritte sich unserer Tür näherten. In den Stunden, die wir miteinander verbrachten, bei unseren Gesprächen und Debatten, bei unserem Austausch von Ideen und Gefühlen erlebte ich ein vollkommenes Glück, das mir bisher unbekannt gewesen war.
Ich hatte den Gedanken an eine Heirat schon längst aufgegeben und mich eigentlich in meinem ehelosen Zustand zufrieden eingerichtet. Aber nun konnte ich mich der Idee einer möglichen Hochzeit nicht erwehren. In meinen Augen waren in Mr. Ashford Würde und Geist vereint mit großem Edelmut. Seine Manieren waren ebenso tadellos wie sein Herz freundlich und sein Verstand klar. Er war in jeder Beziehung ein Mann, mit dem ich mir ein langes und glückliches gemeinsames Leben vorstellen konnte! Ich liebte ihn. Ich liebte ihn! Die Frage war, was er seinerseits für mich empfand.
Während unserer gemeinsamen Zeit hatte er jeden erdenklichen Beweis dafür erbracht, dass ihm meine Gegenwart Vergnügen bereitete. Ich hatte wenige – eigentlich beinahe gar keine – Zweifel daran, dass seine Gefühle den meinen glichen. Aber er hatte nie ein Wort darüber verloren. Ich selbst konnte ja kaum wagen, das Themaanzusprechen. Schließlich war er ein sehr vermögender Gentleman und würde den Titel eines Baronet erben, während ich eine Frau von dreiunddreißig Jahren war, die sich durch nichts als ihren Geist empfahl, den er allerdings zu bewundern schien. Ob er wirklich in unserer Beziehung mehr als nur eine Freundschaft sah, konnte ich nicht mit Sicherheit sagen.
Eines Nachmittags, als wir im Garten allein zusammen auf einer alten Holzbank saßen und einfach nur unsere Gesellschaft und den schönen Tag genossen, sagte Mr. Ashford: »Was gefällt Ihnen am Schreiben am besten, Miss Austen?«
»Dass ich meine eigene Welt erschaffen kann, glaube ich, dass ich sie mit Leuten bevölkern kann, die denken und handeln und reden müssen, wie ich es ihnen befehle.« Seine Nähe ließ mein Herz höher schlagen als gewöhnlich und überhauchte meine Wangen mit zartem Rot, das er, so hoffte ich, der Wärme der Sonne zuschrieb.
»Mit anderen Worten: Gott zu spielen.«
»Mr. Ashford, bitte! Ich bin die Tochter eines Pfarrers.«
Er lachte. »Welche der beiden Schwestern ist denn nach Ihrem Abbild geformt? Elinor oder Marianne?«
»Keine von beiden, würde ich meinen.«
»Ach, kommen Sie. Sicherlich enthüllt doch jede Autorin in gewissem Maß eigene Gedanken und Gefühle durch ihre Romangestalten.«
»Vielleicht ein wenig. Elinor sehe ich als ein Muster an Güte, Diskretion und Selbstbeherrschung; sie handelt, wie man unter allen Umständen denken und handeln sollte.
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