Die geheimen Memoiren der Jane Austen - Roman
Vierergespann mag ja sehr viel großartiger wirken«, meinte ich, »aber sie ist doch ein schwerfälliges und mühseliges Gefährt. Ein Curricle kann doch jederzeit eine Kutsche mühelos überholen.«
»Wenn Geschwindigkeit die einzige Erwägung wäre, dann könnten Sie gern Ihr Curricle haben«, erwiderte Mr. Morton. »Aber darf ich Sie daran erinnern, dass nicht mehr als zwei Personen darin Platz finden, die beide der Sonne, dem Wind und dem Regen ausgesetzt sind, ganz zu schweigen vom schrecklichen Staub der Straße. Mir will es nie gelingen, mein Hemd sauber zu halten, wenn ich in einem offenen Wagen fahre. Das alles kann doch einer Dame nicht angenehm sein.«
»Ganz im Gegenteil, Mr. Morton«, widersprach Alethea, »jede Dame, der ich je begegnet bin, findet eine offene Kutsche außerordentlich angenehm.«
»Es würde uns gar nicht einfallen, im Regen auszufahren«, fügte ich hinzu. »Wir sind auch nie ohne eine Haube unterwegs, Sir, und wir empfinden die frische Luft als außerordentlich belebend. Was nun den Schmutz und den Staub betrifft, so werden diese Nachteile bei Weitemdurch die angenehmen Seiten einer solchen Ausfahrt aufgewogen.«
»Ich denke, beide Sichtweisen haben etwas für sich«, sagte Squire Bigg-Wither diplomatisch und warf Alethea einen recht strengen Blick zu, »und wenn ich noch ein Gefährt in die Erörterung einbringen dürfte, das wohl allen annehmbar erscheint: die Barouche 35 .«
»Ah ja«, gestand ihm Mr. Morton zu, »eine Barouche kann als ein guter Kompromiss betrachtet werden. Sie wird von nur zwei Pferden gezogen, und doch kann man für eine Landpartie bis zu sechs Personen darin unterbringen. Und wenn das Verdeck hochgeklappt ist, ist man zumindest ein wenig vor den Elementen geschützt.«
»Gegen eine Barouche habe ich nichts«, meinte Alethea süß lächelnd, »aber nur, wenn ich vorn auf dem Kutschbock sitzen darf, denn das ist der einzige Platz, der einen schönen Ausblick bietet.«
Als das Dessert, ein sehr annehmbarer Apfelkuchen, serviert wurde, wandte sich das Gespräch einem anderen Thema zu: Mr. Mortons Bibliothek, einer Sammlung von etwa fünfzig, sechzig Bänden, die sich, wie ich bereits bemerkt hatte, ausschließlich mit Geschichte und ökumenischen Studien befassten und ihm eine Quelle großen Stolzes waren.
»Alethea liebt die Bücher auch sehr«, meinte der Squire. »Nun, es vergeht kaum ein Tag, an dem ich sie nicht das eine oder andere lesen sehe.«
»Oh, aber ich lese nur Romane, Papa«, wandte Alethea rasch ein, »und finde keinen Geschmack an der Art von Büchern, die Mr. Morton zu interessieren scheinen.«
»Es ist wohl wahr, dass ich mich den eher ernsten Werken verschrieben habe«, stimmte ihr Mr. Morton zu, »doch ich muss zugeben, dass ich selbst auch schon ein, zwei Romane gelesen habe und diese recht unterhaltsam fand. Kennen Sie
Coelebs auf Brautschau
von Hannah More?«
»Nein«, erwiderte Alethea. »Aber ich bin sicher, Jane ist es bekannt. Jane hat einfach alles gelesen. Sie liebt Romane. Nun, sie hat sogar selbst einige geschrieben.« Kaum hatte Alethea diese Worte ausgesprochen, als sie sich schon erschrocken die Hand vor den Mund hielt und mich Verzeihung heischend anschaute.
»Stimmt das, Miss Austen?«, rief Mr. Morton, und seine wässrigen Augen wurden vor Interesse kugelrund, als er sich zu mir wandte. »Haben Sie tatsächlich Romane verfasst?«
»Vor langer Zeit«, antwortete ich rasch. »Es war eine Liebhaberei meiner Jugend. Sie sind nicht veröffentlicht worden. Heutzutage schreibe ich nur noch Briefe und gelegentlich ein Gedicht.«
»Das ist sehr schade«, sagte Mr. Morton. »Ich habe immer gedacht, dass meine Lebensgeschichte einen faszinierenden Roman abgeben würde: die Lebensgewohnheiten, der Charakter und die Begeisterung eines englischen Landgeistlichen, den seine Gemeinde liebt, der für seine vernünftigen Ansichten, sowie für seine Feinfühligkeit und die hervorragende Ausführung seiner Pflichten weithin berühmt ist. Ich würde das Buch ja selbst schreiben – ich schmeichle mir, dass ich durchaus einige Begabung im Führen der Schreibfeder besitze, denn meine Gemeinde versichert mir, dass meine wöchentlichen Predigten ihnen eine außerordentliche Quelle derInspiration sind –, denke aber, dass es einer objektiveren Sichtweise bedürfte. Vielleicht, Miss Austen, würden Sie sich überzeugen lassen, diese Beschäftigung wieder aufzunehmen? Dann könnte es Ihr nächstes Werk sein.«
»Ich fühle mich geehrt«,
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