Die geheimen Memoiren der Jane Austen - Roman
in meine Arbeit versunken.
Diese brachte schon allein wegen ihrer Themen oft Erinnerungen an einen gewissen Herrn zurück. Erinnerungen, die ich immer und immer wieder aus meinen Gedanken zu verbannen suchte.
Als ich das Kalenderblatt von Februar auf März umwendete, wurde mir klar, dass zehn Monate vergangen waren, seit ich Mr. Ashford zuletzt gesehen hatte. Er könnte jetzt bereits verheiratet sein, überlegte ich, und beim bloßen Gedanken krampfte sich mir der Magen zusammen. Die Haushälterin in Pembroke Hall hatte doch gesagt, die Hochzeit sollte im nächsten Jahr stattfinden, aber
wann
im nächsten Jahr? In welchem Monat? Die Vorstellung, dass er für den Rest seines Lebens an die kindische, nörgelnde Isabella gebunden sein sollte, erfüllte mein Herz erneut mit Schmerz und Wut. Ich hoffe, sie quält ihn bis zur Weißglut, dachte ich wenig großherzig.Und dann: was aus ihnen wird, hat für mich keinen Belang. Ich werde einfach nicht darüber nachdenken.
Ich hatte meine Arbeit, mein Zuhause, meine Familie. Ich war nie zuvor in meinem Leben glücklicher gewesen. Ich hatte alles, was ich mir je wünschen konnte.
Als ich die erste Überarbeitung meines Romans beendet hatte, begann ich, ihn den Frauen im Haus vorzulesen.
»Es ist ein wunderbares Buch«, rief Martha eines Abends begeistert, nachdem wir die erste Hälfte hinter uns gebracht hatten. »Die Frauen in dieser Geschichte scheinen zu leben und zu atmen. Elinor ist eine so hervorragende Persönlichkeit, und Marianne bete ich einfach an. Aber ich kann mich des Gedankens nicht erwehren, dass die Männer alle sehr schlecht wegkommen.«
»Ja, die sind wirklich alle sehr böse gezeichnet«, stimmte ihr meine Mutter zu und schüttelte den Kopf, während sie an ihrer Stickerei weiterstichelte. »Colonel Brandon scheint ja ein anständiger Bursche zu sein. Aber Edward und Willoughby, die beiden Männer, die die Herzen der Damen erobern, sind
beide
mit anderen Frauen verlobt! Sie sind Schurken, alle beide!«
»Du hast noch nicht die ganze Geschichte gehört, Mutter«, wandte Cassandra ein, die mir einen raschen, verständnisvollen Blick zuwarf. »Vielleicht gibt es einen Grund für ihr Verhalten, eine Erklärung, die sämtliche Geheimnisse auflöst, sodass schließlich alles gut ausgeht.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, wie das zustande kommen soll«, antwortete meine Mutter. »Besonders in Willoughbys Fall. Und gerade den habe ich am Anfang
so
gern gemocht!«
»Ja, ich auch«, meinte Martha mit einem Seufzer.
»Er war ja auch wunderbar«, stimmte Cassandra ihnen zu.
»Es war meine Absicht, dass ihr ihn mögen würdet. Ich habe alles getan, was in meiner Macht stand, um ihn charmant, gebildet, intelligent, attraktiv und hingebungsvoll darzustellen – all das, was Marianne in ihrer romantischen Art sich von einem Mann wünschen würde –, damit man sie besser verstehen und respektieren kann, wenn sie sich Hals über Kopf in ihn verliebt.«
»Und dann verlässt er sie ohne ein Wort!«, blaffte meine Mutter, »und geht hin und heiratet eine andere. Was für ein schrecklicher, schrecklicher Kerl! Was hat dich bloß getrieben, so etwas zu schreiben?«
Cassandra schaute mich wieder besorgt an und meinte: »Jane hat eine sehr lebhafte Phantasie, Mama.«
Ich blickte rasch weg und hoffte, dass die anderen auch nicht die geringste Spur meiner Qual aus meinen Augen ablesen könnten. Meine Mutter und Martha wussten nichts von Mr. Ashford, und ich war entschlossen, dass es auch so bleiben sollte.
»Nun, sie hat ihre Phantasie dazu benutzt, eine sehr finstere Geschichte zu schreiben, wenn ihr mich fragt«, rief meine Mutter. »Sehr finster. Als würden Willoughbys andere Fehler nicht schon ausreichen, da erfindest du für ihn auch noch jugendliche Verfehlungen, die niemals zu entschuldigen oder zu verzeihen sind! Und dieser Brief, den er an Marianne geschrieben hat und in dem er sie fortwirft, als wäre sie gar nichts! Nun, das war doch wohl das grausamste und gefühlloseste Verhalten, von dem ich je gehört habe. Mein Herz hat für sie geblutet, Jane. Als sie geweint hat, war ich zu Tränen gerührt, echten Tränen, sage ich dir.«
»Das höre ich gern, Mama«, sagte ich voller Gefühl, »Das ist wirklich das höchste Lob, das du meiner Arbeit zollen könntest.«
»Wie kannst du das Lob nennen«, rief meine Mutter, »wenn ich dir sage, dass ich den Mann aus tiefster Seele hasse?«
»Er ist wirklich ein Schuft, Jane«, pflichtete ihr Cassandra bei.
»Der
Weitere Kostenlose Bücher