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Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Titel: Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Syrie James
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der Zorn hoch, während mein neu gewonnener Respekt sofort zu verfliegen drohte. »Ich verstehe. Ich hätte begreifen müssen, dass Ihre Handlung nicht das Ergebnis eines dauerhaften Sinneswandels war, Sir. Ihre Überzeugungen sind viel zu tief verwurzelt, als dass sie eine solche radikale Änderung erfahren könnten.«
    Er blickte finster. »Vielleicht sind sie das. Auf Wiedersehen, Miss Brontë.« Er wollte sich schon wieder abwenden und durch das Tor schreiten, hielt aber inne, als ich ihn anrief.
    »Warten Sie noch. Bitte warten Sie, Sir.« Ich holte tief Luft, tadelte mich innerlich dafür, dass ich schon wieder die Fassung verloren hatte, und stählte mich, um nicht von der Aufgabe abzuweichen, die ich mir gestellt hatte. »Es tut mir leid. Gewöhnlich bin ich eine sehr zurückhaltende Person, das kann ich Ihnen versichern. Aus irgendeinem Grund fühle ich mich bei Ihnen jedoch dazu veranlasst, Ihnen unverblümt meine Meinung zu sagen. Sie sollen wissen, Sir, dass ich Ihnen sehr dankbar für alles bin, was Sie für die Ainleys getan haben, und dass ich bedaure,
wie
ich gestern mit Ihnen über dieses Thema geredet habe. Doch dies ist nicht der Hauptgrund für meinen Kummer. Ich möchte Sie wegen einer anderen Anschuldigung um Verzeihung bitten, die ich gestern so unbarmherzig und so sehr zu Unrecht gegen Sie erhoben habe. Ich habe, müssen Sie wissen, gerade mit Miss Sylvia Malone gesprochen.«
    »Ach?«
    »Ja. Ihre Cousine Bridget hat ihr kürzlich aus Irland geschrieben und ihr bestimmte Dinge über – über die wahren Zusammenhänge Ihrer vergangenen Bekanntschaft mit ihrenthüllt. Ich weiß jetzt, dass alles, was Bridget Malone uns erzählt hat, eine Lüge war, dass Ihr Verhalten, Sir, über jeglichen Tadel erhaben war und die Schuld in dieser Angelegenheit nur bei der jungen Dame selbst liegt.«
    Erleichterung zeichnete sich auf Mr. Nicholls’ Miene ab. »Ich freue mich sehr, dass Sie nun die Wahrheit kennen, Miss Brontë. Trotz all der Unannehmlichkeiten, die ich wegen Miss Malone erleiden musste, war ich doch fassungslos, als ich hörte, dass sie sich wahrhaftig so weit verstiegen hatte, eine neue Lüge über mich zu erfinden, um sie ihrer Cousine und Ihnen zu erzählen. Wenn ich bedenke, dass Sie mich all die Jahre eines so schändlichen Benehmens für schuldig gehalten haben! Ich hatte keine Vorstellung davon, und der Gedanke schmerzt mich mehr, als ich es Ihnen sagen kann.«
    »Es macht mich sehr traurig, wenn ich überlege, dass ich das alles geglaubt habe, Sir. Ich hätte mich niemals nur auf das Wort der jungen Dame verlassen dürfen. Ich bedaure meine Wortwahl zutiefst. Ich habe Sie beschimpft – oh, ich erröte, wenn ich nur daran denke!«
    »Bitte tadeln Sie sich nicht, Miss Brontë. Sie haben auf der Grundlage von Mitteilungen gehandelt, die Sie für wahr hielten, genauso, wie Sie das bezüglich der Ainleys gemacht haben. Sie haben gesagt, was Ihr Herz Ihnen eingegeben hat, und es kann nur zu Gutem führen, wenn man die Wahrheit sagt.«
    »Das habe ich bis jetzt auch immer gedacht«, erwiderte ich mit einem kleinen traurigen Lächeln.
    Eine kleine Pause trat ein. Er schaute mich unsicher an, blickte dann über die Schulter auf die Heidelandschaft und sagte: »Ich wollte gerade zu einem Spaziergang aufbrechen, Miss Brontë. Darf ich fragen – haben Sie im Augenblick Zeit? Würden Sie mich begleiten?«
    Noch nie – kein einziges Mal – hatte ich einen Spaziergang mit Mr. Nicholls unternommen. Noch gestern hätte ich nicht einmal den Gedanken daran in Erwägung gezogen. Zu meiner Überraschung hörte ich mich antworten: »Wohin wollen Sie gehen?«
    »Wohin mich meine Füße tragen. Heute ist ein herrlicher Tag, und ich kann mir keinen besseren Ort denken, um ihn zu genießen, als das Moor.«
    Ich zögerte. »Ich bin ganz Ihrer Meinung. Ich würde Sie gern begleiten, Sir.«
    Mit dem Anflug eines Lächelns öffnete Mr. Nicholls das Tor und trat zur Seite, um mich vorzulassen.

DRITTER BAND

SECHZEHN
    Es war ein warmer, sonniger Tag. Mr. Nicholls und ich folgten dem steinigen Weg, der vom Tor aus an den Weiden entlang ein wenig abwärts und an den blökenden Herden der grauen Moorlandschafe und ihren kleinen Lämmern mit den mattschwarzen Gesichtern vorüberführte. Eine sanfte Brise wehte von Westen. Sie brachte über die Hügel hinweg den süßen Duft der Heide und der Binsen mit. Der Himmel war von einem makellosen Blau und die Luft vom Surren der Insekten und dem Zwitschern der Vögel

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