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Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Titel: Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Syrie James
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Hörweite –, habe ich etwas gesagt, das mich jedes Mal, wenn ich daran denke, mit Bedauern und Scham erfüllt.« Leise fuhr er fort: »Ich habe Sie damals als gehässige alte Jungfer bezeichnet.«
    Ich starrte ihn an. »Als
gehässige
alte Jungfer?«
    »Sie hatten es also
doch
vergessen?«
    »Nein! Mr. Nicholls,
nein,
ich hatte es nicht vergessen«, sagte ich und konnte mein Erstaunen nicht verhehlen. »Ihre Worte waren mir tief ins Herz gegraben, und ich muss zugeben, dass sie mir viele schmerzliche Stunden bereitet haben, aber –
gehässig
? Sind Sie ganz sicher, dass Sie mich so genannt haben? Eine
gehässige
alte Jungfer?«
    »O bitte, wiederholen Sie es nicht noch einmal!«, rief er und errötete bis an die Haarwurzeln, während er sich umdrehte und mir in die Augen schaute. »Ich habe den Ausdruck aufIhrem Gesicht bemerkt, als ich diese Worte sprach. Ich habe weder vorher noch seitdem bei einem Menschen eine so düstere, wütende, zutiefst gedemütigte und gequälte Miene gesehen. Mich überläuft ein Schauder, wenn ich daran denke, dass ich der Grund für diese Reaktion war. Und wenn ich überlege, dass diese Verfehlung wahrscheinlich der Grund dafür war, dass Sie über all die Jahre eine so tiefe Ablehnung gegen mich empfunden haben.«
    Die Gedanken jagten mir nur so durch den Kopf. Kurz verspürte ich den Impuls, ihm in diesem Punkte zu widersprechen, und sei es nur, um sein Gewissen zu erleichtern. Aber wir hatten uns ja darauf verlegt, einander die Wahrheit zu sagen, und jedes seiner Worte entsprach der Wahrheit.
    »Ich bin überzeugt –
jetzt
bin ich es«, fuhr er fort, »dass Sie sich in Ihrem ledigen Stande sehr wohl fühlen. Vielleicht war das damals nicht der Fall. Jedenfalls war meine Wortwahl offensichtlich äußerst verletzend, und ich bedaure sie sehr.«
    Ich konnte nicht anders, als laut herauszulachen.
    Mr. Nicholls starrte mich völlig verdutzt an. »Mein Geständnis belustigt Sie?«
    Ich nickte, und Lachtränen traten mir in die Augen. Eine Weile war ich so von der Fröhlichkeit übermannt, dass ich kein Wort herausbringen konnte. Mr. Nicholls, der mich beobachtete, wurde davon angesteckt und fiel belustigt in mein Lachen ein, ohne dessen wahren Grund zu kennen.
    »Es tut mir leid, Sir«, sagte ich schließlich, nahm meine Brille ab und trocknete mir mit einem Taschentuch die Augen, als ich schließlich wieder Luft holen und sprechen konnte. »Ich lache nicht über Sie. Ich möchte in keiner Weise Ihr Geständnis herabwürdigen. Ich lache über mich selbst und über meine Torheit.«
    »Ihre Torheit? Was meinen Sie damit?«
    Konnte ich es ihm sagen? Meine Wangen glühten, wenn ich mir vorstellte, ich würde die Gedanken aussprechen, die mir durch den Kopf wirbelten: Es war nicht der Ausdruck »alte Jungfer«, der mich so beleidigt hatte. Es war das Wort, das davor stand. Ich wusste nicht, dass Sie »gehässig« gesagt hatten. Ich habe »hässlich« gehört. Ich dachte, Sie hätten mich eine »hässliche alte Jungfer« genannt. Das konnte ich ihm nicht sagen.
    »Es möge als Erklärung ausreichen, Mr. Nicholls, dass ich Ihre Äußerung falsch verstanden habe. Vielleicht lag es an Ihrem Akzent, vielleicht auch an meinen Vorurteilen, weil ich durchaus bereit war, nur Schlechtes von Ihnen zu denken und über mich zu hören. Aber ich dachte, Sie hätten ganz etwas anderes gesagt.
Was
ich verstanden habe, ist jetzt nicht mehr wichtig. Es freut mich aber, jetzt zu erfahren, dass es nichts Schlimmeres war als das, was Sie gerade erklärt haben. Glauben Sie mir, wenn ich Ihnen versichere, dass ich Ihnen voll und ganz verziehen habe. Bitte empfinden Sie deswegen keine Reue mehr.«
    »Sie sind wirklich nicht mehr erbost über mich?«, fragte er unsicher. »Es hat Sie nicht beleidigt, was ich gesagt habe?«
    »Nein. Und hätte ich die Worte richtig verstanden, dann wäre ich gar nicht erst so wütend geworden. Es gab einige andere Dinge, die Sie damals und seither geäußert haben und an denen ich sicherlich einiges auszusetzen hätte, aber Sie haben zugegeben, dass Sie an jenem Tag wenig feinfühlig gewesen sind, Sir, und das genügt mir. Jetzt wollen wir dieses Thema fallen lassen, nicht wahr, und nie wieder darüber sprechen.«
    Einige Zeit später, als Mr. Nicholls und ich von unserer Wanderung zurückgekehrt waren und an der Tür des Pfarrhauses Abschied voneinander nahmen, sagte er mit einem Lächeln: »Danke, dass Sie mich heute begleitet haben. Es hat mir große Freude bereitet.«
    »Mir

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