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Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Titel: Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Syrie James
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dürfte! Ich habe die Sommer mit den Robinsons dort so sehr genossen. Du würdest Scarborough auch lieben, Papa. Und Charlotte, ich habe gemerkt, wie müde du bist, weil du mich schon so lange pflegst. Die Seeluft würde uns allen guttun.«
    »Ich bin zweiundsiebzig Jahre alt, meine Liebe«, antwortete Papa. »Meine Reisejahre sind vorbei. Aber ihr beide könnt fahren, wenn ihr mögt.«
    Ich versprach Anne, mit ihr nach Scarborough zu reisen, falls der Arzt es erlaubte. Aber als ich nach dem Abendessen Mr. Nicholls zur Tür geleitete, teilte ich ihm meine ernsten Bedenken mit: »Ich würde für Anne alles tun. Aber glauben Sie wirklich, dass sie die Kraft zu einer solchen Reise besitzt?«
    »Die Reise kann ihr vielleicht sogar helfen, ihre Kraft wiederzugewinnen«, sagte Mr. Nicholls.
    Ich nickte. Aber als er sich zu mir hinabbeugte, um meinen Gesichtsausdruck genauer zu betrachten, erriet er die Ängste, die ich nicht auszusprechen wagte. Leise sagte er: »Wenn derHerr sie zu sich holen will, Miss Brontë, dann tut er es, ob sie nun hier oder in Scarborough ist. Sie wünscht es sich offensichtlich sehr. Sie hat diese letzte Freude verdient, meinen Sie nicht?«
    Ich nickte unter Tränen.
    »Machen Sie sich keine Sorgen, Ihren Vater allein hier zurückzulassen«, fügte er hinzu und berührte damit meine zweite unausgesprochene Angst. »Ich kümmere mich um ihn, während Sie fort sind.«

SIEBZEHN
    Anne wusste von einer Pension mit der Adresse Cliff Nr. 2, wo sie schon zuvor mit den Robinsons abgestiegen war. Sie hielt das Cliff für eine der schönsten Wohnlagen in ganz Scarborough. Ich buchte uns dort also Zimmer, wobei ich auf einem Meerblick bestand, weil ich Anne jede nur mögliche Annehmlichkeit bieten wollte. Anne, die beschlossen hatte, ich müsste eine Gefährtin haben, damit ich, in dem schrecklichen Fall, dass ihr etwas zustieße, nicht allein wäre, lud Ellen ein, uns zu begleiten. Ellen sagte freudig zu.
    Wir drei reisten also mit dem Zug an die Küste von Yorkshire. Wir unterbrachen unsere Reise für eine Übernachtung in York, wo wir Anne in einem Rollstuhl ausfahren konnten. Als Anne das eindrucksvolle Münster von York erblickte, das sie in der Vergangenheit stets so bewundert hatte, war sie zu Tränen bewegt.
    »Wenn irdische Mächte eine solche Kathedrale zu errichten vermögen«, sagte sie voll tiefer Empfindung, »was können wir dann erst von den göttlichen erwarten?« Ellen und ich sahen ihr entrücktes Gesicht, und die Rührung schnürte uns die Kehle zu.
    Annes Freude steigerte sich noch, als wir in Scarborough eintrafen, wo sie uns begeistert alle Herrlichkeiten des Ortes zeigte. Sie geleitete uns über die Brücke, die mitten in der Bucht über die Schlucht führt und von wo wir eine atemberaubende Aussicht auf die Klippen und Sandstrände hatten. Dann bestand sie darauf, dass Ellen und ich allein Spaziergänge unternahmen, während sie ruhte. Sie kam sogar in einem Eselskarren auf den Strand gefahren, wobei sie selbstresolut die Zügel in die Hand nahm, als sie das Gefühl hatte, dass der junge Kutscher das Tier nicht gut behandelte.
    Am Sonntagabend, dem 27. Mai, schoben wir Annes Rollstuhl ans Fenster unseres Wohnzimmers und betrachteten miteinander den prächtigsten Sonnenuntergang, den ich je gesehen hatte. Der Himmel war von allen möglichen Schattierungen überzogen, leuchtete rosa, violett, blau und golden. Die Burg auf ihrem Felsen stand stolz und herrlich da, vom schwindenden Sonnenlicht in schimmernden Glanz getaucht. Die Schiffe in der Ferne glitzerten wie poliertes Gold. Und die kleinen Boote, die beim Strand vor Anker gegangen waren, tanzten freundlich auf den Wellen.
    »Oh!«, war das einzige Wort, das Anne hervorbrachte, und ihr engelgleiches Gesicht strahlte beinahe so hell wie die Landschaft, auf die wir blickten.
    Am nächsten Morgen fühlte sich Anne sehr viel schwächer und bat, ob ein Arzt sie untersuchen könnte, um festzustellen, ob die Zeit noch reichte, um nach Hause zurückzukehren. Es wurde ein Mediziner herbeigerufen – ein Fremder. Der teilte ihr voller traurigem Ernst mit, der Tod stünde vor der Tür. Ich war wie benommen. Ich hatte nicht gedacht, dass es schon so bald so weit sein würde. Anne dankte dem Mann und bat ihn, sie unserer Fürsorge zu überlassen. Sie legte sich auf das Sofa und betete leise, während Ellen und ich stumm neben ihr saßen und unsere Tränen nicht zurückhalten konnten.
    »Weint nicht um mich«, sagte Anne ruhig. »Ich fürchte

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