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Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Titel: Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Syrie James
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zurück und wünschte mir, ich könnte noch etwas tun oder sagen, um sein Leiden zu lindern.
    Dieses kurze Gespräch hatte anscheinend in Mr. Nicholls neue Hoffnung genährt, denn schon am nächsten Tag schrieb er an Papa und fragte ihn, ob er seine Kündigung zurücknehmen könnte. Papa antwortete, er würde Mr. Nicholls sein Amt nur dann zurückgeben, wenn er ihm schriftlich versichere, »das anrüchige Thema nie wieder anzusprechen«, weder mir noch ihm gegenüber. Dazu war Mr. Nicholls anscheinend nicht bereit. Während ich in London war und Korrekturen an den Druckfahnen von
Villette
vornahm, gingen zu meinem Entsetzen zwischen den beiden Männern bitterböse Briefe hin und her. Als ich nach Hause zurückkehrte, fand ich heraus, dass sich Mr. Nicholls zwar entschieden hatte, nicht nach Australien auszuwandern, aber nach wie vor entschlossen war, uns zu verlassen, und meinem Vater mitgeteilt hatte, er werde seinen gegenwärtigen Posten als Hilfspfarrer in Haworth Ende Mai aufgeben.
    Mir wurde mit einem plötzlichen, stechenden Schmerz klar, dass ich es sehr bedauern würde, wenn er ginge.
    Als all dies geschah, trafen gerade die Besprechungen von
Villette
ein. Sie waren im Allgemeinen wohlwollend, abgesehen von einigen recht harschen Kritiken, die ausgerechnet Leute geschrieben hatten, die ich eigentlich für meine Freunde hielt. Die schienen sich aber eher mit meinem Leben zu befassen, wie sie es im Roman gespiegelt sahen, als mit dem Werk selbst. Papa war voll des Lobes über meine Leistung, doch ich konnte keine Freude an seiner Begeisterung finden. Sie erschien mir nun nur noch als Taktik, um mich von jeglichemGedanken an eine Heirat abzulenken und meinen Ehrgeiz allein auf ein Ziel zu richten, das er so hoch schätzte: auf meine literarische Laufbahn.
     
    In den folgenden Monaten war das Verhältnis zwischen Mr. Nicholls und meinem Vater von schwelender Abneigung gekennzeichnet. Mr. Nicholls gab sich so finster und abweisend, dass die Leute im Dorf anfingen, ihm aus dem Weg zu gehen. Manchmal dachte ich, selbst wenn er dem Tode nahe wäre, würde nun niemand mehr ein freundliches Wort an ihn richten oder Gutes über ihn reden. Man sagte mir, dass er seine Pflichten gewissenhaft erfüllte, aber danach traurig in seinem Zimmer saß, allen aus dem Weg ging, sich niemandem anvertraute, kaum noch mit seinen Freunden sprach, wenn sie ihn besuchen kamen. Ich muss zugeben, dass mir das große Achtung für ihn einflößte. Wie gedemütigt hätte ich mich gefühlt, wenn er mich so bitter und übertrieben beschimpft hätte, wie mein Vater ihn schmähte!
    Lag dieser Trauer echte und wahrhaftige Zuneigung zugrunde, fragte ich mich, oder war es nur Groll und tiefe Enttäuschung? Ich konnte mir nicht sicher sein. Es schien mir eine Ironie des Schicksals, aber in all den Jahren, die ich Mr. Nicholls kannte, hatte ich ihn im Grunde nicht verstanden, war nie in seine Gedanken eingedrungen. Doch jedes Mal, wenn ich mich gerade davon überzeugt hatte, dass ich gegen den Willen meines Vaters Mr. Nicholls eine zweite Chance geben wollte, legte er ein so unangenehmes Verhalten an den Tag – warf mir finstere Blicke zu, ließ sich auf einen hartnäckigen und unnützen Streit mit dem Schulinspektor ein oder verlor bei einem Besuch des Bischofs völlig die Fassung –, dass all meine alten, ungünstigen Eindrücke wieder auflebten. Als eines Abends während des Bischofsbesuchs Mr. Nicholls imFlur stand, zog ich mich auf mein Zimmer zurück. Martha erzählte mir später, dass Mr. Nicholls mein Manöver bemerkt hatte und ein finsterer, furchterregender Ausdruck über seine Züge gehuscht sei, der ihre Seele mit Schrecken erfüllt hätte. Kaum hatte ich jedoch den oberen Treppenabsatz erreicht, da bereute ich meine Feigheit bereits.
    Mr. Nicholls war, denke ich, ein guter Mensch, der um meinetwillen viel zu leiden hatte. Konnte ich da nicht einen einzigen Schritt auf ihn zugehen, um seine Qual ein wenig zu lindern? Was zwang mich denn, ihn mit so viel Zurückhaltung zu behandeln? Verlor ich, indem ich seine Werbung ablehnte, vielleicht das reinste Juwel, das mir kostbarer war als alles andere im Leben: echte Zuneigung? Oder war ich knapp dem Joch eines griesgrämigen, launischen Ehemanns entkommen?
     
    Eine Begebenheit im Frühling machte es mir dann vollends unmöglich, die Art und Aufrichtigkeit der Gefühle zu bezweifeln, die Mr. Nicholls für mich empfand.
    Es war am Pfingstsonntag, dem 15. Mai. Im Gottesdienst wollte ich diesmal

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