Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë
elegant unter einem geschmackvollen Hut arrangiert. Sie erklärte, ich sei »wahrhaftig wunderhübsch«. Martha gesellte sich mit schüchternem Lächeln im Flur zu uns, reichte mir einen Strauß weißer Blumen, die mit weißen Bändern zusammengefasst waren, und flüsterte: »Für Sie, Madam. Ich weiß, dass sie gesagt haben, wir sollten keine Umstände machen, aber ich konnte nicht anders. Sie sind aus dem Garten meiner Mutter, Madam. Oh, sehen Sie nicht selbst wie ein Schneeglöckchen aus?«
Ich war solches Lob so wenig gewöhnt, dass ich einfach erröten musste. »Danke, Martha.«
»Ich soll Ihnen sagen, dass Mr. Nicholls vor einigen Minuten vorbeigekommen ist. Der Pfarrer und der Gemeindediener sind bereit und warten in der Kirche auf Sie, wann immer Sie so weit sind.«
Martha und Tabby hatten darauf bestanden, im Haus zu bleiben, um die Vorbereitungen für das Hochzeitsfrühstück zu vollenden. Meine Begleiterinnen und ich traten vor die Tür; die Gedanken rasten mir nur so durch den Kopf, sodass ich kaum bemerkte, ob der Morgen kühl oder warm war oder ob sich der Himmel von Grau zu Blau verfärbt hatte. Wie benommen überquerte ich das Gras. Ich war schon tausende Male zuvor hier entlanggekommen, aber plötzlich schien mir alles seltsam und fremd zu sein. War das wirklich ich, die da den Strauß weißer Blumen fest umklammert hielt und als Braut auf dem Weg in die Kirche war?
Miss Wooler öffnete das Gartentor. Als ich durch das Tor auf den Kirchhof trat und an der ersten Reihe von Grabsteinen vorüberging, überkam mich plötzlich ein unerklärlichesFrösteln. Ich zögerte einen winzigen Augenblick und holte Luft, und alles Blut schien mir aus dem Gesicht zu weichen.
»Charlotte? Geht es Ihnen gut?«, rief Miss Wooler besorgt.
Ich schaute zu dem alten grauen Gotteshaus empor, das hoch und erhaben vor mir aufragte, und sah einen Raben, der um den Kirchturm seine Kreise zog. Der Anblick dieses wilden Geschöpfes, das so frei und unbekümmert durch den Himmel segelte, schien mir ein gutes Omen zu sein und erfüllte mich mit neuer Gelassenheit. Ich holte noch einmal tief Luft und lächelte: »Es geht mir gut.«
Da trat Mr. Nicholls aus der Kirche. Er hatte sich sehr elegant in seinen besten Anzug gekleidet. Als er mich über den Friedhof hinweg erblickte, blieb er wie erstarrt stehen. Der Ausdruck, der sich dann auf seine Züge legte, war von so reinem Entzücken und solcher Bewunderung, dass mein Herz zu singen begann. Ich eilte an seine Seite.
Er ergriff meine Hand. Ich spürte, wie seine Finger zitterten. »Sie sehen wunderschön aus, Sie sind wunderschön, Charlotte.«
Mein Herz begann zu klopfen. Ich wollte ihm sagen, wie wunderbar er aussah, aber mir war der Hals so zugeschnürt, dass ich kein Wort herausbrachte. Ich konnte nur zurücklächeln, während wir Hand in Hand miteinander in die Kirche schritten.
Wie ich es erhofft hatte, war die Kirche beinahe leer. Die einzigen Anwesenden in der vordersten Reihe waren Mr. und Mrs. Grant. Reverend Sowden wartete in seinem weißen Chorhemd am Altar. Drei andere Männer standen in der Nähe: der Küster John Brown, ein junger Schüler namens John Robinson (den er, flüsterte mir Arthur zu, in letzter Minute überredet hatte, den alten Gemeindediener zu holen) und Joseph Redman, der Gemeindediener selbst. Die einzige wichtige Person, die fehlte, war mein Vater, stellte ich mit Bedauernfest. Aber ich hatte keine Zeit, lange darüber nachzudenken, denn Arthur drückte mir die Hand und fragte leise: »Sind Sie bereit?«
Ich nickte.
»Dann geht es los.« Er wich mir von der Seite, reichte Ellen den Arm und geleitete sie in die Kirche. Ich wartete, und das Herz pochte mir so laut in den Ohren, dass ich fürchtete, auch Miss Wooler müsste es hören, als sie neben mir ihren Platz einnahm. Nun gingen wir zusammen durch den Mittelgang. Als wir uns dem Altar näherten, schaute mich Arthur mit starrem Blick und strahlendem Lächeln an.
Mr. Sowden fragte: »Wer führt die Braut ihrem Bräutigam zu?« Und Miss Wooler antwortete: »Das mache ich.«
Ich nahm Arthurs Arm, und wir setzten uns auf unsere Plätze an der Kommunionbank.
Die Zeremonie war, wie wir es geplant hatten, sehr kurz. Reverend Sowden eröffnete sie mit den üblichen Erklärungen über die Gründe und die Absichten der Eheschließung. Ich versuchte zuzuhören, konnte aber in der Aufregung meine Gedanken nicht konzentrieren. Der ganze Vorgang kam mir so unwirklich vor, als sei ich in einem Traum
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