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Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Titel: Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Syrie James
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vorbeigekommen war.
    Der Tag war recht schön, manchmal blitzte sogar ein Sonnenstrahl auf. Als wir in Conway eintrafen, war das Wetter jedoch regnerisch und sehr windig geworden. Doch schon bald fanden wir Schutz in einem gemütlichen Gasthaus, wo ich – weil ich fürchtete, Ellen könnte sich einsam und verlassenfühlen – sogleich ein Brieflein schrieb, in dem ich sie von unserer glücklichen Ankunft in Kenntnis setzte.
    Als der Hoteldiener das Schreiben entgegennahm, sagte er: »Sehr gut, Mrs. Nicholls. Ich werde mich darum kümmern, dass der Brief zur Post gegeben wird.«
    Es war das erste Mal, dass mich ein Fremder als »Mrs. Nicholls« angesprochen hatte, und ich erschrak ein wenig. Beim Abendessen achtete Arthur, der sich Sorgen machte, meine Erkältung könnte sich verschlimmern, darauf, dass wir an dem Tisch Platz nahmen, der dem Kamin am nächsten war. Während wir dem Heulen des Windes und dem Trommeln des Regens auf dem Dach und den Fensterscheiben lauschten, stellten wir mit einem Lachen fest, dass uns diese Geräusche angenehm an Zuhause erinnerten.
    »Morgen fahren wir, wenn das Wetter es zulässt, an der Küste entlang nach Bangor«, sagte Arthur. »Ich bin nie lange genug hier gewesen, um mir die Landschaft genauer anzusehen. Ich habe mir sagen lassen, dass sie herrlich ist.«
    »Ich freue mich darauf, sie mit dir zusammen kennenzulernen.«
    Er lächelte höchst erfreut. Schon wurde unser Abendessen, gebratenes Geflügel, aufgetragen. Das Essen war hervorragend, das Feuer flackerte fröhlich, die Bedienung war freundlich, und unser Gespräch floss angenehm dahin. Ich konnte jedoch nicht umhin, eine kleine Veränderung an meinem Mann zu bemerken, die seit unserer Ankunft im Gasthaus in ihm vorgegangen war. Trotz seiner Versuche, dies zu verbergen, hatte sich wieder eine leichte Verlegenheit in sein Verhalten geschlichen, wie in jenen Monaten vor dem Heiratsantrag und in den frühen Tagen unserer Brautwerbung.
    Was den Grund dafür betraf, so konnte ich nicht sicher sein – aber ich spürte, dass es vielleicht dasselbe Gefühl war, dassich meiner etwa zur selben Zeit bemächtigt hatte, jenes aufgeregte Beben in der Magengegend, jene nervöse Unruhe – hervorgerufen durch die Gedanken an die Nacht, die vor uns lag: unsere Hochzeitsnacht.
    Arthur und ich hatten einander in den vergangenen Monaten einige Male keusch geküsst, wir hatten uns an den Händen gehalten, aber das war alles. Und das, so war mir bewusst, würde sich nun bald ändern. Ich vermutete, dass Arthur mehr über derlei Dinge wusste als ich. Schließlich war er ein Mann und ein Ire noch dazu. Ich hatte keine Angst; aber wie ich Ellen gegenüber zugegeben hatte, war ich unruhig, erwartungsvoll, ein wenig schüchtern (wovor Ellens Mutter ja ernstlich gewarnt hatte!) und mehr als nur ein bisschen aufgeregt.
    Nach dem Abendessen stiegen wir schweigend die Treppe hinauf. Als wir die Tür zu unserem Zimmer erreichten, begann mein Herz erwartungsvoll zu pochen. Was würde als Nächstes geschehen? Würde Arthur mich auf die Arme nehmen und über die Schwelle tragen? Würde er mich eilends ins Zimmer schieben, die Tür hinter uns zuwerfen und mich sofort in eine leidenschaftliche Umarmung reißen?
    Nein.
    Ruhig schloss Arthur die Tür auf. Dann hielt er inne. Mit leiser Stimme und abgewandtem Blick murmelte er: »Soll ich mit dir hereinkommen? Oder möchtest du dich lieber allein zum Zubettgehen vorbereiten?«
    Ich zögerte, sprachlos vor Schreck und Enttäuschung. Auf diese Möglichkeit war ich nicht vorbereitet gewesen. Was war hier die angemessene Antwort?
    Mein Mann – der offensichtlich meine Verzweiflung wahrgenommen hatte – fügte rasch hinzu: »Sorge dich nicht. Ich gehe einige Minuten nach unten und klopfe an, wenn ich wiederkomme.«
    Nein! wollte ich rufen. Geh nicht! Aber, schüchtern, wie ich war, konnte ich diese Silben nicht hervorbringen.
    »Achte darauf, die Tür abzuschließen«, sagte er und reichte mir den Schlüssel. Dann war er fort.
    Verwirrt und mit leisem Bedauern ging ich in unser Zimmer und schloss, wie er mir empfohlen hatte, die Tür hinter mir ab. Tränen der Beschämung schossen mir in die Augen. Ich war nervös gewesen, ja. Es hatte mir beim Abendessen jeglicher Appetit gefehlt. Aber dafür war meine aufgeregte Erwartung verantwortlich. Dass ich allein gelassen wurde, um mich selbst auszuziehen, war sicherlich nicht der Anfang, den ich mir für meine Hochzeitsnacht vorgestellt hatte.
    Wenn ich ehrlich war,

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