Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë
dass Mr. Nicholls nicht viel für Dissenter übrig hatte, entschied sich, nicht zu kommen.) Da Papa den Traugottesdienst nicht halten wollte, sorgte Arthur dafür, dass uns sein Freund, der junge Reverend Suttcliffe Sowden, der auch ein guter Freund Branwells gewesen war, trauen würde. Anstelle von Einladungen verschickten wir nur eine Ankündigung. Meine Liste war kurz. Es standen nur achtzehn Namen darauf. Zu meiner Belustigung hatte jedoch Mr. Nicholls eine endlose Reihe von befreundeten Pfarrern, denen er die Karten schicken wollte. Ich musste meine Bestellung beim Drucker verdoppeln und um sechzig Umschläge bitten.
Im letzten Monat vor der Hochzeit nähte ich wie besessen in einem Wettlauf mit der Zeit. Ich überwachte auch den Umbau des kleinen Vorratsraums hinter dem Esszimmer zu einem Studierzimmer für Mr. Nicholls. Die Arbeiter mauerten eine Tür zu, die nach draußen führte, legten einen neuen Fußboden, bauten einen Kamin ein und verputzten und tapezierten die Wände neu. Ich nähte frische grünweiße Vorhänge, die genau zu der neuen Tapete passten.
Ehe ich mich versah, war der Juni schon beinahe vergangen. Arthurs Studierzimmer war fertig und meine Aussteuer komplett. Die Anspannung wegen des Umbaus am Pfarrhaus und meine eigene bange Erwartung, die mich nicht schlafen ließ, schwächten während der Wochen vor dem Hochzeitsdatum meine Gesundheit sehr. Kurz vor der Hochzeit zeigten sich bei mir die ersten Anzeichen einer Erkältung. Meine Aufregung half mir jedoch, jeden Gedanken an eine bedrohlichereKrankheit aus meinem Kopf zu verbannen. Mit größter Freude hieß ich Ellen und Miss Wooler willkommen, die (aufgrund der fürsorglichen und rücksichtsvollen Anordnungen, die Mr. Nicholls für sie getroffen hatte) am Tag vor der Hochzeit mit dem gleichen Zug gereist und gemeinsam mit einer Kutsche im Pfarrhaus eingetroffen waren.
Der Vortag meiner Hochzeit verging in einem Wirbel letzter Vorbereitungen. Mit Hilfe meiner Freundinnen packte ich den Koffer zu Ende und nagelte die Karte mit der Anschrift eines Gasthauses in Nordwales daran, der ersten Station auf unserer Hochzeitsreise. Nach einem kurzen Besuch dort hatten wir vor, mit dem Dampfschiff in Arthurs Heimatland Irland zu fahren und dort eine einmonatige Rundreise zu machen, bei der ich auch seine Familie kennenlernen sollte.
Mr. Nicholls gesellte sich zum Abendessen zu uns, bleich und in einem Zustand nervöser Anspannung, der dem meinen gleichkam. Um so wenig Aufmerksamkeit wie möglich auf die morgige Trauung zu lenken und weil wir noch am gleichen Tag zur Hochzeitsreise aufbrechen wollten, hatten wir den Gottesdienst auf die frühestmögliche Stunde gelegt: 8 Uhr morgens.
Alles schien nach Plan zu verlaufen. Als wir das Abendgebet beendet hatten, ereilte Papa ein plötzlicher Hustenanfall, der ihn sehr schwächte und ermüdete. Zu meinem Entsetzen sagte er darauf: »Ich fürchte, ich habe mich an deiner Erkältung angesteckt, Charlotte. Ich halte es für das Beste, wenn ich morgen nicht am Gottesdienst teilnehme.«
Mr. Nicholls erblasste und sagte fassungslos: »Aber Mr. Brontë, Sie wollen doch gewiss nicht die Hochzeit Ihrer Tochter versäumen?«
Papa errötete ein wenig und wandte den Blick ab: »Es tut mir leid, aber es lässt sich nicht ändern.«
»Wenn du nicht teilnimmst, Papa«, sagte ich, zutiefst enttäuscht, »wer wird mich dann zum Altar führen?«
»Ich bin sicher, ihr findet eine Lösung, auch ohne mich.«
Trotz des Hustenanfalls glaubte ich nicht, dass Papa wirklich krank war. Eine solche Erkrankung hatte ihn jedenfalls in der Vergangenheit nicht daran gehindert, in der Gemeinde wie üblich seinen Verpflichtungen nachzukommen. Als ich seinen Gesichtsausdruck wahrnahm (eine leichte Panik, die er vergeblich zu verbergen suchte), wurde mir klar, was sein Stolz ihn nicht sagen ließ: dass die Erregung über die zumindest formelle Trennung von seinem einzigen noch lebenden Kind mehr war, als er ertragen und durch seine Anwesenheit in der Kirche gutheißen konnte.
Ich seufzte, wusste aber, dass es keinen Zweck hatte, mit meinem Vater in einer solchen Stimmung zu hadern. Martha, Tabby, Ellen und Miss Wooler schauten alle ebenso betreten wie ich.
»Wir wollen das Gebetbuch befragen«, schlug Arthur vor. »Vielleicht gibt es dort eine Regelung für einen solchen Fall, und es ist ein Ersatz erlaubt.«
Wir schauten nach. Mr. Nicholls schlug die entsprechende Seite auf und rief nach einer Weile triumphierend: »Aha! Wir
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