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Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Titel: Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Syrie James
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Arzt und machte nicht einmal den Versuch, die Bande zu zerreißen, die ihn an sie fesselten.
    Wenn Geld von seinem »geliebten Schatz Lydia« eintraf oder wann immer Branwell Papa oder seinem Freund John Brown ein paar Shilling abschwatzen konnte, ging er entweder schnurstracks zu Betty Hardacre, um sich dort einige Gran Vergessen zu kaufen, oder er schlich sich ins Wirtshaus. Nach mehreren Stunden ungezügelten Trinkens kam er dann singend oder irr lachend nach Hause gewankt, oder es brachte ihn (öfter als mir lieb war) der überaus geduldige Mr. Nicholls als wütendes und wild tobendes Wrack nach Hause.
    Wenn Branwell kein Geld hatte, um seinen schlechten Angewohnheiten zu frönen, lungerte er Tag und Nacht in verzweifelter Wut im Pfarrhaus herum, schrie uns wegen Nichtigkeiten an und trieb uns die Tränen in die Augen. Als ich ihn daran erinnerte, dass er versprochen hätte, sich eine Beschäftigung zu suchen, schrieb er an seinen Freund Francis Grundy und bettelte den um eine Arbeit bei der Eisenbahn an, erhielt aber keine ermutigende Antwort von ihm. Er weigerte sich, in die Kirche zu gehen; er weigerte sich, irgendwelche Pflichten im Haushalt zu übernehmen; er weigerte sich, überhaupt irgendetwas zu tun, außer uns alle so unglücklich wie möglich zu machen.
    »Ich bin eine gequälte Seele. Ich schmore in der Hölle!«, schrie Branwell mit leidgeplagter Miene und lief wie ein eingesperrtes Tier vor dem Kamin auf und ab, während meine Schwestern und ich uns wie jeden Abend mit Nähen, Stricken oder Bügeln beschäftigten. »Lydia! Lydia! O Schatz meines Herzens! Ich werde sie wieder in die Arme schließen. Ich kann ohne meine Seele nicht leben.«
    »Wenn das wirklich die Liebe ist«, bemerkte Emily mit einem Stirnrunzeln, »dann hoffe und bete ich, dass
ich
sie nie erlebe.«
    Unsere Verzweiflung über Branwells Niedergang sollte jedoch schon bald durch ein erstaunliches – und schicksalhaftes – Ereignis in den Hintergrund gedrängt werden, das unsere Geschicke in eine völlig neue und vielversprechende Richtung lenken sollte.
     
    Es war der 9. Oktober 1845. An jenem Morgen befand ich mich in Emilys Zimmer gleich oben an der Treppe und wollte gerade ihr Bett mit frischen Laken beziehen, als ich zufällig ihr Reiseschreibpult aufgeklappt auf dem Bett liegen sah. Das war höchst ungewöhnlich, denn Emily hielt ihr Schreibpult meist fest verschlossen. Ich hatte sie in der Vergangenheit einige wenige Male (an den seltenen Gelegenheiten, wenn Emily ihre Tür offen gelassen hatte) beobachtet, wie sie in ihrem Zimmer saß und schrieb, Keeper zu ihren Füßen und das Schreibpult auf dem Schoß. Ich wusste, dass Emily selten Briefe verfasste; sie hatte keine Freunde, mit denen sie eine Korrespondenz hätte führen können. Aber sie war eine so außerordentlich verschlossene Person, dass ich es nicht wagte, sie zu fragen, woran sie arbeitete.
    Heute lag nicht nur das Schreibpult offen auf dem Bett, es war auf der schrägen Oberfläche sogar noch ein Notizbuch aufgeschlagen. Daneben befand sich Emilys Feder, und das Tintenfass in der kleinen Aussparung oben im Pult war aufgeschraubt, als hätte man Emily beim Verfassen eines Textes gestört. Das Bett stand unmittelbar unter dem geöffneten Fenster, und der Himmel war von einem wolkigen Grau, das mit Regen drohte. Eine Brise wehte herein und blätterte die Seiten des Notizbuchs um. Ich sorgte mich sofort, dass es bei einem Unwetter Schaden erleiden könnte.
    Rasch legte ich die gefalteten Laken zur Seite und schraubte das Tintenfass zu. Ich wollte gerade das Notizbuch schließen und in der kleinen Schublade des Schreibpultes verstauen, als die poetischen Zeilen oben auf der Seite – es handelte sich nämlich um ein Gedicht (und, wie sich herausstellen sollte, ein sehr langes; ich sah nur die letzte Seite) – meine Aufmerksamkeit erregten.
    Dies Mitleid und die eigennützig Lieb zusammen rissen
    Das Herz nun hin, dass hat anbeten müssen;
    Wenn je ich die Kette bräche, flöh der Vogel mir;
    Ich muss sie brechen oder das Leid besiegeln ihr.
     
    Kurze Mühe, welche Ruhe könnte lindern, welcher
    Frieden suchte mich aufs Neue
    Während sie hier schmachtet und nur hofft, dass sie der Tod befreie?
    »Rochelle, die Kerker wimmeln vor den Feinden, die uns bitter hassen.
    Du bist zu jung, als dass ich dich ein solches hartes
    Schicksal könnte leiden lassen.
«
    Aus unerklärlichen Gründen begann mein Herz wild zu pochen: Ich wusste, dass ich eigentlich nicht

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