Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Titel: Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Syrie James
Vom Netzwerk:
ändern.« Er hockte sich neben mich auf den Zauntritt und starrte nachdenklich aufs Moor hinaus. »Nichts wird mich je wieder in solche Niederungen ziehen wie der Alptraum damals in Luddenden Foot. Ich würde mir lieber die Hand abhacken, als noch einmal ein so jämmerlicher, speichelleckerischer Wurm und so zügellos und bösartig zu sein, wie ich es dort war.«
    »Warum, Branwell? Warum hast du so gehandelt? Du hast immer gesagt, dass dir die Arbeit bei der Eisenbahn gefiele.«
    »Sie hat mir auch gefallen. Die Eisenbahn ist eine spannende neue Sache, und ich konnte damit meinen Lebensunterhalt verdienen. Aber dir muss doch klar sein, dass ich, der ich mit Vergil und Byron aufgewachsen bin, hehrere Ziele hatte als nur der Hauptschreiber in einem winzigen, abgelegenen Bahnhof zu sein, der in einem primitiven Schuppen untergebracht ist. Und es gab nichts zu tun! Die einzigen Freunde, die ich hatte, lebten in Halifax, und ich konnte nicht so oft dorthin reisen, wie ich gewollt hätte. Was blieb mir also als das Trinken?«
    »Du erwartest doch wohl nicht, dass ich diese Frage einer Antwort würdige?«
    »Zumindest war ich nicht völlig verloren, während ich dort war. Ich habe sehr viele Gedichte geschrieben oder umgeschrieben.«
    »Ich erinnere mich«, sagte ich mit einem Seufzer. »Ich beneide dich ein wenig, weißt du.«
    »Du beneidest mich? Warum?«
    »Weil deine Gedichte veröffentlicht worden sind. Ich träume schon lange davon, dass einmal etwas von mir gedruckt wird.«
    »Nun, mit Träumen allein wirst du das nicht erreichen, liebe Schwester. Du hast Talent, und das weißt du. Aber wie man so sagt: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Um etwas veröffentlicht zu bekommen, musst du erst einmal etwas schreiben, das die Veröffentlichung wert ist. Und dann musst du tollkühn genug sein, es auch einzusenden.«
    »Das stimmt.« Ich schaute ihm fest in die Augen. Die Zuneigung in seinem Blick war so echt, und er sah so hübsch und fein aus, wie er da saß und die untergehende Sonne mit ihren Strahlen sein rotes Haar golden glänzen ließ, dass er mir einen Augenblick lang wieder wie der alte Branwell vorkam. Als Kinder waren wir Seelenfreunde gewesen, unzertrennlich, immer vollkommen im Einklang. Wir konnten einer die Sätze des anderen zu Ende sprechen und jeden Gedanken und jede Handlung des anderen vorausahnen. Und wir hatten uns beide beinahe zwei Jahrzehnte lang und mit großer Freude im Spiel unserer Phantasie und im Geschichtenerzählen gemessen. Sollte es möglich sein, dass wir diese tiefe Freundschaft wiederbeleben konnten? Würde Branwell wirklich versuchen, sich zu bessern? Ich sagte: »Ich habe dich in letzter Zeit sehr vermisst.«
    »Du wirst ab jetzt keinen Grund mehr dazu haben. Ich bin hier – und ich bleibe hier bis zu dem Tag, an dem Lydia Robinson eine freie Frau ist. Dann heiratet sie mich, ich werdeHerr auf ihrem Landgut und lebe dort den Rest meines Lebens mit ihr in vornehmer Pracht.«
    Das Herz wurde mir schwer. »Branwell, bitte sag mir, dass das nicht dein Ernst ist.«
    »Was?«
    »Du kannst doch nicht wirklich erwarten, dass du Mrs. Robinson heiraten wirst!«
    »Aber natürlich. Ihr Mann ist sehr kränklich. Es wird nicht mehr lange dauern, bis er stirbt.«
    »Was für ein widerlicher und übler Gedanke! Noch schlimmer, dass du ihn mit Hoffnung in den Augen aussprichst!«
    »Ich bin nicht der einzige Mensch, der diesen Tag herbeihofft und ersehnt. Lydia liebt ihren Mann nicht. Sie liebt mich.«
    »O Branwell! Selbst wenn das stimmte – glaubst du wirklich, dass eine Frau ihres Standes und ihres Vermögens einen Mann heiraten würde, der siebzehn Jahre jünger ist als sie und mit dem sie eine skandalöse Affäre hatte?«
    »Ich weiß, dass sie es tun wird. Sie hat mir versprochen, dass wir für immer zusammen sein werden. Ich muss nur warten. Und währenddessen will ich nicht untätig herumsitzen. Ich gedenke mir eine Beschäftigung zu suchen und, das verspreche ich dir, ich werde stocknüchtern bleiben.«
    Dieses Versprechen wahrzumachen stand allerdings nicht in Branwells Macht. Am nächsten Nachmittag, als mein Vater zusammen mit Anne, die ihn in Gemeindeangelegenheiten unterstützte, außer Haus weilte, Emily auf ihrem Zimmer war und wer weiß was tat und ich lesend im Esszimmer saß, hörte ich draußen Rufe und danach ein lautes Klopfen an der Tür.
    Es war mir unendlich peinlich, meinen Bruder auf der Schwelle zu erblicken, sturzbetrunken, vulgär pöbelnd und von Mr. Nicholls

Weitere Kostenlose Bücher