Die Geheimnisse der Patricia Vanhelsing
durch seinen Körper.
Er sah mich mit einem durchdringenden, beinahe hypnotischen Blick an und sagte dann: "Ich hoffe, dass wir endlich einem lebenden Exemplar dieser Monstren begegnen..."
"Wissen Sie ob, die Maquatli Tentakel mit Saugnäpfen besitzen?", fragte ich. "So ähnlich wie Kraken?"
Von Schlichten sah mich fassungslos an.
"Woher wissen Sie das?"
"Also entspricht es der Wahrheit", schloss ich.
"Zumindest deuten verschiedene Beschreibungen darauf hin..."
"Der Tote in San Carlos hatte kreisrunde Male, die von solchen Tentakeln verursacht sein könnten. Außerdem gibt es da den Fall eines Amerikaners..."
"Dann darf ich aus Ihren Bemerkungen wohl schließen, dass Sie meine Theorie von der Existenz der Maquatli nicht schon im Vorhinein als puren Unfug abtun, Miss Vanhelsing. Das freut mich." Sein Gesichtsausdruck wurde etwas weicher. "Aber bei Ihnen hätte ich auch nichts anderes erwartet. Übrigens, was Ihre Großtante angeht..."
"Ja?"
"Ich bin fasziniert von der Akribie, mit der sie ihr Archiv betreibt. Eine beeindruckende Persönlichkeit. Als ich anfing Archäologie zu studieren, wäre es mein größter Wunsch gewesen, ihren Mann Frederik Vanhelsing auf einer seiner Reisen als Assistent zu begleiten. Leider ist es nie dazu gekommen."
"Er ist verschollen", sagte ich. "Von einer Reise in den brasilianischen Regenwald kehrte er niemals zurück."
"Ich weiß", sagte von Schlichten. "Ich weiß..."
*
Ich spürte Toms Herzschlag neben mir. In meiner eigenen Koje hatte ich keine Ruhe finden können. Immer wieder war vor meinem inneren Auge jenes Schreckensbild aufgetaucht, das mich nun schon so lange als Vision verfolgte.
Kalte, dämonisch leuchtende Augen blickten mich aus der Tiefe des Sees an...
So hatte ich mich zu Tom gelegt und war an seiner Seite eingeschlafen. Diese Kojen waren normalerweise schon für eine Person nicht gerade großzügig. Zu zweit war es ziemlich eng. Aber das störte uns nicht.
Es war ein dumpfes, rhythmisches Geräusch, dass mich dann irgendwann zwischen Mitternacht und Sonnenaufgang weckte.
Trommeln!
Ich war sofort hellwach. Das Mondlicht fiel durch eins der Bullaugen an der Seite.
Das Geräusch wurde lauter. Menschliche Stimmen mischten sich in den dumpfen Rhythmus hinein.
Tom hatte es auch gehört.
"Was ist da los?", flüsterte ich.
Tom atmete tief durch. Wir lauschten beide angestrengt einige Augenblicke. Dann sagte Tom: "Von Schlichten hat nichts davon gesagt, dass wir noch irgendeinen Hafen anlaufen..."
"Tom, das sind mindestens zwei oder drei Dutzend Leute da draußen..."
Er nickte.
"Würde ich auch sagen."
Wir standen auf und blickten durch die Bullaugen hinaus.
Fackeln loderten in der Nacht. Auf den ersten Blick sah ich mindestens ein Dutzend Indio-Boote. Der geisterhafte Rhythmus dumpfer Trommeln drang durch die Nacht.
"Wo sind wir hier?", fragte ich, während ich bereits begann, mich anzuziehen.
"Wenn das, was von Schlichten gesagt hat, stimmt, dann müssten wir ganz in der Nähe unseres Ziels sein..."
Ich starrte hinaus und sah, wie immer weitere Boote aus der Dunkelheit auftauchten, um sich hier, an diesem Punkt zu sammeln. Ein eigenartiger Singsang erhob sich jetzt und übertönte sogar den Rhythmus der dumpfen Trommeln.
Ich lauschte.
Eine Gänsehaut überzog meine Unterarme, und der Puls beschleunigte unwillkürlich.
"MAQUATLI QUERESEN K'YARAM'NUR!", so drang der Sprechgesang der Indios zu uns herüber.
Wie in meiner Vision, durchzuckte es mich.
Es war alles so eingetreten, wie ich es gesehen hatte. Und wenn ich nun an Deck gehen und die Reling hinabblickte, würde ich in dunkles Wasser sehen...
Ich schluckte.
Ein eiskalte Totenhand schien mein Herz zu umfassen und in seinem unbarmherzigen Griff zu halten.
"MAQUATLI QUERESEN K'YARAM'NUR!", erscholl es immer von neuem.
"Wir müssen an Deck!", sagte Tom. "Ich will wissen, was hier los ist!"
In diesem Moment donnerte ein Schuss durch die Nacht.
Der gespenstische Chor der Indios verstummte von einem Augenblick zum anderen, und es herrschte eine geradezu unheimliche Stille.
*
In Windeseile hatten Tom und ich uns das Nötigste angezogen.
Als wir an Deck auftauchten, hatte die LAGO GRANDE kaum noch Fahrt.
Im fahlen Mondlicht sah ich die hochaufragende Gestalt Dietrich von Schlichtens, der mit regungslosem Gesicht den Indiobooten entgegenblickte.
Die Boote näherten sich immer mehr.
Juan und Miguel, die beiden Gehilfen des Kapitäns, hatten Gewehre in den Händen.
Ich
Weitere Kostenlose Bücher