Die Geheimnisse der Therapeuten
Frau ist letztes Jahr an einem Gehirntumor gestorben. Seit einigen Wochen rede ich mir ein, dass mein Tinnitus ein Anzeichen für diese Krankheit ist. Ich weià zwar, dass meine Untersuchungsergebnisse normal sind, aber ich hege Zweifel: Vielleicht haben die Ãrzte sich geirrt.«
Zu Beginn der nächsten Stunde unterhielten wir uns über diese Angst. Ich hatte die Therapiesitzung vorbereitet und dabei meinen eigenen Gedanken freien Lauf gelassen: Geschichten von Patienten mit einem bösartigen Hirntumor waren mir eingefallen. Was mich am stärksten beeindruckt hatte, war nicht der Verlauf ihrer Krankheit, sondern der Umstand, dass sie alle gestorben waren. Meine Gedanken waren zum Tod abgeschweift, zu meiner eigenen Angst vor dem Sterben. Zu guter Letzt hatte ich mich vor der Therapiestunde gefürchtet, weil ich überzeugt war, dass Claude-Jean die Sitzung damit eröffnen würde, dass er Angst vor dem Tod habe, und ich wegen meiner eigenen Gedankenassoziationen vorbelastet sein würde.
Claude-Jean begann: »Was mich wirklich ängstigt, ist nicht der Tod, sondern das mit der Krankheit verbundene Leiden.« Da ich ihn wahrscheinlich erstaunt anblickte, fuhr er fort:
»Ich weiÃ, dass das aus dem Munde eines Hypochonders seltsam klingen mag, aber ich glaube, dass ich mich mit der Vorstellung, eines Tages sterben zu müssen, abgefunden habe. Mein Vater starb, als ich 16 war. Er war ein in unserer Gegend ziemlich bekannter Mann, denn er war nacheinander Händler, Stadtrat und schlieÃlich Bürgermeister in unserer Gemeinde geworden. Er hatte zwar die Wahlen zur Nationalversammlung verloren, aber er blieb sehr populär.
Als er erfuhr, dass er einen Hirntumor hatte, war ich 14. Wir sprachen viel miteinander. Er erzählte mir, dass er einen Augenblick lang daran gedacht hatte, alles hinzuwerfen, mit meiner Mutter um die Welt zu reisen und in die besten Restaurants zu gehen. Mit anderen Worten: die letzten Augenblicke seines Lebens zu genieÃen. Aber nach einigen Tagen machte mein Vater einfach weiter wie bisher. Er sagte mir, was ihn letztlich glücklich mache, sei seine Arbeit in der Gemeinde und seine Familie. Als er zwei Jahre später starb, hatte er, glaube ich, mit sich Frieden geschlossen. Unsere Gespräche sind mir immer noch präsent.
Es sind seine letzten sechs Monate, die mich verfolgen. Nach einer ersten Operation kam der Tumor wieder. Die Therapie war sehr aggressiv. Er magerte furchtbar ab. Selbst heute nach 25 Jahren habe ich noch manchmal Albträume von dieser Zeit.«
Das veranschaulicht gut, warum Therapeuten nur sparsam das Wort ergreifen sollten. Unsere erste Pflicht ist, unseren Patienten zuzuhören, und die nächste besteht darin, ihnen nicht unsere eigenen Gedanken zu unterstellen.
Drei Ratschläge, um die Angst vor der Krankheit zu kanalisieren
âDie Angst verwandelt unsere Art und Weise, die Welt zu betrachten. Stellen Sie das Selbstgespräch infrage, das in der Phase der Angst in Ihrem Innern auftaucht. Im Denken von Hypochondern besteht oft eine automatische Assoziation zwischen Schmerzen und schwerer Krankheit. Machen Sie sich den Irrtum klar!
âDie Gedanken von Menschen, die Angst um ihre Gesundheit haben, sind von falschen Glaubenssätzen durchtränkt. Ein häufiger Glaubenssatz heiÃt: »Gesundheit bedeutet, dass die Organe schweigen.« Das ist falsch! Dieser Gedanke, der auf den Chirurgen René Leriche zurückgeht, ist unsinnig. Ein lebender Körper macht sich bemerkbar. Wenn Sie diese Selbstverständlichkeit akzeptieren, werden Sie Frieden mit Ihrem Körper und Ihrem Denken schlieÃen können.
âSelbst wenn die kognitiven Verhaltenstherapien bei hypochondrischen Ãngsten als kurze Therapien gelten, muss man sich Zeit lassen.
3 â Didier Pleux
Memoiren eines Klaustrophoben
»Wenn Sie eine Angststörung haben, wirdIhnen die Armee guttun!« Anfang der 1970er Jahre entrannen viele dem Wehrdienst mithilfe von entgegenkommenden Medizinern oder Militärs, die keine »Rebellen« rekrutieren wollten. Ich hatte einen Haufen von Störungen angeführt, aber es half nichts: »Es wird Ihnen guttun!«
Als Therapie konnte man sich etwas Besseres vorstellen, aber ich verlangte nichts weiter. Ich war zwanzig und würde also dieses faszinierende Jahr erleben: Umgang mit Waffen, lange Märsche und erhöhter Tabak- und Alkoholkonsum, was für ein Glück! Bei
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