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Die Geheimnisse der Therapeuten

Die Geheimnisse der Therapeuten

Titel: Die Geheimnisse der Therapeuten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christophe André
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aktiviert wird wie das Gehirn desjenigen, der die Emotion erlebt. Wir wären demnach imstande, unsere automatischen Empathiereaktionen dem Kontext, dem Beziehungsmoment oder der Beobachtung anzupassen.

    Wozu dient das Einfühlungsvermögen?
    Das Verständnis des affektiven Verhaltens unserer Mitmenschen ist der Eckpfeiler unseres sozialen Lebens. Es erlaubt uns, miteinander auf effiziente, aber auch angenehme Weise zu interagieren und zu kommunizieren. Mit seiner Hilfe können wir die Absichten und Handlungen anderer vorhersagen. Unsere affektive körperliche Reaktion erlaubt dem anderen, unsere Gefühle zu verstehen: Wenn etwas geschieht, was uns nicht gefällt, erhält unser Gegenüber durch unseren Gesichtsausdruck – unsere Mimik – sofort eine emotionale Information (Abscheu, Traurigkeit, Erstaunen etc.), was ihm erlaubt, sein Verhalten anzupassen oder zu modifizieren. Wenn uns die Gegenwart des anderen hingegen angenehm ist, drückt unser Gesicht eine Zufriedenheit und Freude aus, die von unserem Gegenüber im Prinzip wortlos verstanden wird. Der andere wird sich seinerseits in der Situation wohlfühlen und Lust haben, sie fortzusetzen.
    Wir sehen also, dass Empathie eine menschliche Fähigkeit ist, die für das soziale und Beziehungsleben essenziell ist (angeblich soll es auch Empathie unter Tieren geben, die ihnen erlaubt, komplexe soziale Beziehungen herzustellen). Dank dieser Eigenschaft können wir die emotionalen Folgen unseres Verhaltens auf einen anderen (Leid, Trauer, Wut) erkennen und es verändern, um diesem Leid ein Ende zu setzen. Diese Fähigkeit, die Emotion des anderen zu teilen, erlaubt Menschen untereinander ein besseres Verständnis ihrer Handlungen und ihres Verhaltens und verbessert auf diese Weise die sozialen Beziehungen.

    Weitere Elemente der Empathie
    Noch weitere Elemente spielen in eine weiter gefasste Definition von Empathie hinein: die Imitation, die emotionale Ansteckung, die Anteilnahme, das Mitgefühl. Jedes dieser Elemente beschreibt unterschiedliche Phänomene, die miteinander verknüpft sind und ineinandergreifen und sehr häufig gleichzeitig auftreten.
    Der Unterschied zwischen Nachahmung und emotionaler Ansteckung ist bedeutsam. Unter Nachahmung versteht man die automatische Tendenz, die affektiven, stimmlichen und motorischen Äußerungen und die Körperhaltung einer anderen Person zu übernehmen. Das ist die wichtigste Art des Lernens im Kleinkindalter (Elaine Hatfield, Jean Piaget). Die Nachahmung ist ein Mechanismus, der wahrscheinlich am Rande mit dem Phänomen der Empathie zu tun hat. Ihre Rolle wurde in verschiedenen Studien demonstriert, bei denen es um emotionale Reaktionen von Versuchspersonen auf Gesichter mit jeweils unterschiedlicher Mimik ging, die ihnen gezeigt wurden. Den Studien zufolge reagiert eine Versuchsperson auf den Ausdruck (Lächeln, Stirnrunzeln), den sie auf einem anderen Gesicht beobachtet, mit einer kohärenten Emotion. Das erlaubt Sozialverhalten und ein Verständnis des Menschen in der Beziehung (Sonnby-Borgstrom 2002).
    Die emotionale Ansteckung ist ein anderer Vorgang, der mit der Empathie verwandt ist, obwohl sie sich davon unterscheidet: Babys weinen, wenn sie andere Babys weinen hören. Selbst Erwachsene haben die Tendenz zu lachen, wenn sie andere lachen hören. Tania Singer zufolge gehört hierzu beispielsweise das Bewusstsein von sich und anderen, die Fähigkeit, die eigenen Bedürfnisse von denen anderer zu unterscheiden, und die Fähigkeit herauszufinden, ob unsere Emotion von uns stammt oder von der Emotion eines anderen ausgelöst wurde.
    Es ist auch wichtig, die Anteilnahme oder das Mitgefühl von der Empathie abzugrenzen, ein weiteres Element, das in die Beziehung zu anderen einfließt. Während die Empathie die Folge des Verständnisses der Gefühle des anderen ist, teilen bei der Anteilnahme oder dem Mitgefühl die beiden Personen die Gefühle nicht unbedingt miteinander. Beispielsweise wird ein Gefühl von Traurigkeit, das eine Person zeigt, infolge von Empathie auch ein Gefühl von Traurigkeit bei einer anderen Person hervorrufen. Doch wenn jemand Anteilnahme für den Menschen empfindet, der traurig ist, manifestiert sich das eher als Mitleid oder Mitgefühl. Wenn ein Mensch bei jemand anderem ein Gefühl der Eifersucht beobachtet, wird er vermutlich keine Eifersucht empfinden, sondern Anteilnahme oder Mitgefühl

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