Die Geheimnisse der Therapeuten
Sohn war noch nicht aus der Schule zurück? Er war unter ein Auto gekommen. Ihr Mann hatte nicht wie gewöhnlich von der Arbeit aus angerufen? Er war wütend auf sie oder, noch schlimmer, er wagte nicht, ihr eine schlechte Nachricht mitzuteilen. Wenn sie merkte, dass das Katastrophenszenario in ihrem Kopf die Oberhand gewann, hielt sich die Patientin am Motto fest, um sich dazu zu zwingen, in ihrer Interpretation die Vernunft walten zu lassen, statt von der Panik überwältigt zu werden. Ein anderes Beispiel für ein Motto: »Besser das biegsame Schilfrohr als die starre Eiche!« Diese an La Fontaine angelehnte Formel, die ich meinen Patienten empfehle, wende ich auch manchmal selbst an, wenn ich merke, wie ich mich auf eine unnötig rigide Haltung versteife.
Abschluss
Anstelle einer Zusammenfassung möchte ich Ihnen drei Mottos empfehlen, die den Tenor dieses Beitrags zusammenfassen:
â Worauf ich achte? Auf mein eigenes Verhalten!
â Es hinnehmen? Eine andere Art der Veränderung!
â Mein Ehrgeiz? Die Realität respektieren!
23 â Dominique Servant
Wie ich mit Stress im Beruf umgehe
»Wie machen Sie das, Herr Doktor? Sie wirken so ruhig. Sind Sie niemals gestresst?« Diese Bemerkung bekomme ich öfter von meinen Patienten zu hören. Dabei ist ihnen klar, dass ich wie jeder andere Mensch auch stressige Augenblicke am Arbeitsplatz habe, die mich belasten. Aber ich versuche, etwas dagegen zu tun, so wie ich es auch meinen Patienten empfehle, und natürlich gebe ich mir Mühe, sie nicht mit meinem Stress zu belasten. Es wäre der Gipfel, von seinem Therapeuten gestresst zu werden!
Jeder ist gestresst, ich auch
Nur wenige Menschen kennen gar keinen Stress, speziell im Beruf, der heutzutage eine der Hauptursachen für die Patienten ist, zu mir in die Behandlung zu kommen. Die Gründe sind vielfältig, aber am häufigsten werden der Zeitdruck, der Mangel an Anerkennung, die Ãberlastung und die schwierigen Beziehungen am Arbeitsplatz angeführt. Manchmal begegnen mir auch Menschen, die meisterhaft mit bestimmten Stresssituationen umgehen können und eine Distanz zu ihnen an den Tag legen, die ganz und gar erstaunlich ist.
Eine meiner Patientinnen schilderte mir, welchen Druck ihr Chef auf sie ausübte. Er rief sie abends auf dem Mobiltelefon an, um sie zu bitten, eine unvorhergesehene Konferenz zu organisieren. Am nächsten Morgen rief er sie gleich nach Arbeitsbeginn wieder an, um sich zu erkundigen, ob sie alle Teilnehmer erreicht hätte und sie kommen würden. Dann meldete er sich noch viermal am Vormittag, bis er die Bestätigung hatte, dass alles organisiert war. »Ich habe mich nicht aufgeregt, ich weiÃ, wie er tickt. Aber das hat nichts geändert. Selbst wenn er mich nicht angerufen hätte, wäre alles bis mittags erledigt gewesen«, vertraute sie mir an. Als ich das hörte, fragte ich mich: »Wie macht sie das bloÃ? Bei alledem, was diese Leute aushalten müssen, weià ich nicht, wie es mir an ihrer Stelle gegangen wäre.«
Die Antistress-Einstellungen, die ich anzuwenden versuche
â Möglichst nicht sofort reagieren, besonders wenn man weiÃ, dass grundsätzlich unnötiger Druck ausgeübt wird.
â Sich am Ende des Arbeitstages ein oder zwei positive Dinge vor Augen führen, die man geleistet hat und die nützlich waren oder uns interessant erscheinen.
â Viele kleine Pausen machen, selbst sehr kurze, um die Akkus im Laufe des Tages immer wieder aufzuladen.
â Nicht mehr an die Arbeit denken, wenn man sich mit anderen Dingen beschäftigt, und sich Zeit für sich und die Familie nehmen.
Es gelingt mir nicht immer vollständig, meinen Stress in den Griff zu bekommen, aber ich versuche, mithilfe kleiner mentaler und physischer Methoden eine übermäÃige Belastung zu vermeiden, die bei mir noch nie aufgetreten ist, das sogenannte Burnout-Syndrom. Dafür muss man sich vor gedanklichen Grübeleien oder Unzufriedenheit und Zweifeln im Hinblick auf die Arbeit hüten, die sich breitmachen können, wenn man nicht aufpasst. Denn Stress kann manchmal auf direktem Wege zu Ãberarbeitung, Erschöpfung und Motivationsverlust führen, die die schlimmsten Feinde von Ausgeglichenheit und Zufriedenheit am Arbeitsplatz sind. Man muss die Arbeit richtig einteilen und wachsam sein, aber es gibt leider auch den Stress, der von der Arbeit als solcher und den
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