Die Geheimnisse der Therapeuten

Phänomen. Das Lebewesen, das einer neuen Situation ausgesetzt wird, spielt eine aktive Rolle dabei, sie zu assimilieren und mit ihr sein Gleichgewicht zu finden.
    In der Praxis ermutigt man beispielsweise einen phobischen Patienten, sich allmählich und systematisch dem auszusetzen, was ihm Angst macht: vor anderen zu sprechen, mit einem Menschen zu reden, den anzusprechen er sich fürchtet, an einem geschlossenen Ort zu bleiben, auf der Autobahn zu fahren etc. Wenn man sich regelmäßig der Quelle der Angst aussetzt, nimmt die Angst allmählich ab und verschwindet. Jedes Training, im Sport, im Beruf oder in der Kunst, beruht auf dem Mechanismus der Gewöhnung durch wiederholte Konfrontation. Man kann sich auch an Phänomene gewöhnen, die im Innern auftreten, beispielsweise an Empfindungen und Gedanken. Mithilfe dieses Prinzips kann man sich mit bestimmten unangenehmen Empfindungen arrangieren, wie Herzklopfen, Hitze, Zittern und Schmerz. Es kann auch helfen, sich mit beunruhigenden Gedanken zu konfrontieren. Wahrscheinlich war es meiner Großmutter und meinen Patienten, die im Sterben lagen, gelungen, mit dem Gedanken ihres eigenen Todes fertigzuwerden, indem sie sich auf alle erdenklichen Weisen damit auseinandergesetzt hatten: durch innere Arbeit, indem sie wiederholt ihr Spiegelbild betrachteten, durch den Blick der anderen, aber vielleicht auch durch Lektüre oder Unterhaltungen mit Gesprächspartnern, die offener waren als ich.
    Annehmen lernen, ein neuer Weg der Behandlung
    Seit einigen Jahren ist die Akzeptanz zu einem expliziten Anliegen der kognitiven Verhaltenstherapeuten geworden. Der Begriff steht sogar im Zentrum einer neuen Strömung innerhalb dieser Therapie: der Akzeptanz- und Commitment-Therapie, kurz ACT genannt. Wie der Name schon sagt, empfiehlt dieser Ansatz, der von dem amerikanischen Psychologen Steven Hayes entwickelt wurde, gegen die eigenen schmerzbesetzten Emotionen, Erinnerungen oder Gedanken nicht anzukämpfen, sondern sie zu akzeptieren und zuzulassen. Parallel dazu regt er den Betroffenen dazu an, sich auf das zu konzentrieren, was ihm wirklich wichtig ist – auf seine Werte. Ich für meinen Teil ziehe den Begriff hinnehmen vor, selbst wenn er nicht so elegant wie akzeptieren klingt. Es scheint mir, dass dieser Ausdruck zu Recht den aktiven Charakter (das »Nehmen«) der Assimilation des neuen oder schwierigen Elements betont. Überdies halte ich es für wichtig, diesen Prozess der Veränderung deutlich an das reaktive Lernen zu koppeln. Indem sich die Verhaltenstherapie fest auf die Gesetze des Lernens stützt, konnte sie die Genauigkeit und Effizienz entwickeln, die ihr zum Erfolg verholfen haben.
    Das Andersmachen und das Hinnehmen
    Ein Schritt: Ich nehme es hin. Der nächste Schritt: Ich mache es anders , und so weiter und so fort.
    Eine ausgewogene und dauerhafte Veränderung vereinigt harmonisch das Hinnehmen und das Andersmachen . Die beiden Vorgehensweisen sind eng miteinander verknüpft. Sie ergänzen sich, so wie sich unsere Beine beim Vorwärtsgehen abwechselnd, aber koordiniert bewegen. Ein Schritt: Ich nehme es hin. Der nächste Schritt: Ich mache es anders, und so weiter und so fort. Nehmen wir das Beispiel des Schwimmenlernens. Wenn man schwimmen lernen will, muss man zunächst ins Wasser steigen: Man muss die Anwesenheit des Wassers hinnehmen , um sich an das Wassermilieu zu gewöhnen. Man merkt sehr rasch, dass die vertrauten Bewegungen, mit denen man sich an Land fortbewegt, im Wasser ineffizient sind. Man muss es anders machen : sich zuerst der Länge nach ausstrecken wie ein Fisch, der weder im Sitzen noch im Stehen schwimmt, und dann die Arm- und Beinbewegungen so abändern, dass man im Wasser vorwärtskommt. Dann muss man wieder mit dem Hinnehmen weitermachen, um die neue Position und die neuen Bewegungen zu festigen und sich an sie zu gewöhnen. Und so geht es weiter: Schwimmen lernen heißt, sich in dem Wechselspiel von Hinnehmen und Andersmachen vorwärtszubewegen. Das gilt für jede Änderung, die auf dem Erwerb neuen Verhaltens (und dem Aufgeben alten Verhaltens, das seine Nützlichkeit verloren hat) durch das Wechselspiel von Hinnehmen und Andersmachen beruht.
    Sich alle Chancen zunutze machen
    Veränderung ist ein schwieriges Unterfangen, das viel Motivation und Beharrlichkeit erfordert. Um sich die besten Erfolgschancen zu sichern, gibt es drei Mittel, die meine Erfahrungen