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Die Geheimnisse der Therapeuten

Die Geheimnisse der Therapeuten

Titel: Die Geheimnisse der Therapeuten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christophe André
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psychischen Problem leiden, an Emotionen, die zweifellos schmerzhaft sein können, aber nur allzu menschlich sind? Ich glaube gern, dass es einem Patienten leichter fällt, mit seiner Geschichte zu leben, wenn er deren Ursprünge kennt. Doch wenn der Schmerz zu intensiv ist, tut man dann nicht gut daran, ihn zu reduzieren, statt zu riskieren, dass der Patient sich in einen Raum flüchtet, den er für einen Schutz hält, aber wo er Gefahr läuft, sich nur in einer anderen Problematik zu verstricken, die ihm erträglicher erscheint? So waren Thibault und seine Mutter verfahren. Sie sanft zu den wirklichen Problemen zurückzubringen erlaubte ihnen, sie gemeinsam zu überwinden, durch eine freiwillige Kommunikation und in einem wiedergefundenen gegenseitigen Vertrauen.
    Das Nein der Eltern
    â€¦ kann das Kind nicht die Mittel für sein Wohlbefinden umsetzen.
    Im Laufe meiner Praxis habe ich meine Selbstherrlichkeit verloren und auch aufgehört darüber zu dozieren, dass man die krankmachenden Eltern bei der Behandlung außen vor lassen sollte. Auch wenn das, was die Kinder sagen, durch die ärztliche Schweigepflicht geschützt sein muss, bin ich inzwischen davon überzeugt, dass ihre Eltern die besten Mitspieler sind, was die Pflege, die Bedürfnisse und das Wohlbefinden ihrer Kinder angeht. Ohne eine gute therapeutische Allianz mit den Eltern kann das Kind nicht die Mittel für sein Wohlbefinden umsetzen. Es gerät in einen Loyalitätskonflikt zwischen Therapeut und Familie, und es ist normal, dass es vor allem die Kommunikation mit seinen Eltern wiederherstellen möchte.
    Meine Art zu arbeiten hat sich also gewandelt. Zunächst versuche ich, eine Zusammenarbeit mit den Eltern herzustellen. Statt sofort danach zu forschen, was sie unterlassen haben und/oder was sie hätten tun sollen, helfe ich ihnen, ihre gegenwärtigen Kompetenzen wiederzufinden, jene, die ihnen den Mut gegeben haben, mich aufzusuchen und zum Wohl ihres Kindes um Hilfe zu bitten. Ganz gleich, ob sie erschöpft, wütend, besorgt oder miteinander uneins sind, schließlich sehen sie ein, dass es nicht immer einfach ist, »gute Eltern« zu sein. Aber gibt es »gute Kinder« (und perfekte Therapeuten)? Ich würde eher sagen, dass es »Familienbande« gibt, das heißt, ein sehr eigenes und einzigartiges Netz, dessen Fäden durch eine »gute Behandlung« des Kindes und eine »gute Behandlung« der Eltern geknüpft werden. Den Eltern zu helfen, ohne ihnen Schuldgefühle zu geben, heißt, sie als Träger des Projekts der kindlichen Autonomiewerdung anzuerkennen, das sich nicht leicht umsetzen lässt. Es heißt auch, dem Kind klarzumachen, dass seine Eltern gut zu behandeln gleichzeitig bedeutet, dass es sich selbst gut behandelt und sich besser entwickelt. Umgekehrt erleben Eltern, die ihr Kind wieder mit Liebe und Empathie behandeln, eine neue Freude am Elternsein.
    Die lauten, provozierenden, angsterregenden, nervtötenden, verletzenden und ermüdenden Symptome einer psychopathologischen Störung führen jedes Mal zum Ausbruch familiärer Gewalt. Die Emotion ist so groß, dass die Worte einen bösen, gereizten, anklagenden und demütigenden Ton annehmen, was systematisch den Zusammenhalt angreift, der die Protagonisten verbindet, und sie ohnmächtig zurücklässt, fortgerissen von einer zerstörerischen verbalen und/oder physischen Gewalt. In einer solchen Phase kommen die Eltern in die Sprechstunde, weil sie sich der Erkenntnis der familiären Katastrophe nicht verschließen können oder von anderen Mitspielern, die sich um das Kind kümmern, dazu stark ermutigt werden. In ebensolchen Augenblicken wurden sie stets von Wissenschaftlern evaluiert, und diese zogen angesichts der Intensität und Ambivalenz ihrer Emotionen die Schlussfolgerung, dass die Eltern die Krankheitsursache sein müssten und man sie von ihrem Kind trennen müsse, damit sein Fall sich nicht noch verschlimmern würde.
    Aber was wissen diese Forscher von den elterlichen Emotionen, bevor die Störung ausbrach und die Familie aus dem Gleichgewicht brachte? Ich behaupte: Wenn die Eltern nicht Angst gehabt hätten, von den Therapeuten und der Gesellschaft so hart beurteilt zu werden, wenn sie Zugang zu einer psycho-edukativen Beratung gehabt hätten (statt zu einer, die Schuldgefühle verstärkt), wären sie eher gekommen, um sich Hilfe zu holen und

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