Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geheimnisse Der Tinkerfarm

Die Geheimnisse Der Tinkerfarm

Titel: Die Geheimnisse Der Tinkerfarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams , Deborah Beale
Vom Netzwerk:
die Bibliothek gehörte jetzt ihm. Tyler konnte den Drang, Colins gesamten Kram einfach vom Tisch zu fegen, gerade noch unterdrücken.
    »Nachforschungen, hm?«, sagte er. »Ja? Nachforschungen über was?«
    »Geht dich nichts an.« Colins Augenbrauen gingen in die Höhe. »Was willst
du
eigentlich hier, Jenkins? Ich hätte nicht gedacht, dass du ein großer Leser bist.«
    »Ach, hättest du nicht?« Es stimmte ja, aber zugegeben hätte er das jetzt nie und nimmer. Er wollte Colin nicht einmal mit der Ausrede kommen, dass er nach Lucinda suchte – das hätte erst recht so gewirkt, als ob der dürre Heini hierhergehörte |80| und er nicht. Tyler spazierte am Tisch vorbei und versuchte, einen Blick auf die dort ausgebreiteten Bücher zu erhaschen, aber Colin beugte sich vor und legte die Arme darüber.
    »Ich muss doch sehr bitten!«, sagte er in seiner besten Erwachsenenmanier. »Ich arbeite, Jenkins. Kannst du nicht woanders spielen?«
    »Zufällig hab ich hier auch was zu tun, Needle. Aber ich seh zu, dass ich dich nicht allzu sehr störe.«
    Tyler schlenderte eine Weile zwischen den Regalen umher, doch er konnte sich nicht konzentrieren. Colin und seine Mutter mussten sich über dieselbe Sache unterhalten haben, die Lucinda mitgehört hatte. Mrs. Needle hatte gesagt: »Willst du das etwa, Colin? In deinem eigenen Zuhause der Diener der Jenkins-Kinder sein?« Tyler musste zugeben, dass die Vorstellung ihm gefiel – Colin als Butler, der spuren musste, wenn Tyler etwas befahl –, aber glaubte sie wirklich, dass es so kommen würde?
    Für einen kurzen Moment tat Colin Needle ihm sogar leid. Wie es wohl sein musste, eine solche Mutter zu haben?
    Aber trotzdem, seine Mutter ist nicht ständig hinter ihm her und zwingt ihn, überall rumzuschnüffeln,
befand Tyler.
Das macht er meistens aus eigenem Antrieb.
    Tyler spazierte zu dem großen Gemälde von Octavio Tinker hinüber. Der kauzige Wissenschaftler blickte so aufreizend amüsiert und geheimnisvoll wie eh und je. Wie immer schien der Begründer der Ordinary Farm auf die Tür des Schlafzimmers gegenüber zu schauen. Tyler war in diesem Sommer noch kein einziges Mal bei dem magischen Kommodenspiegel gewesen und verspürte plötzlich große Lust, mal wieder einen Blick darauf zu werfen. Er vergewisserte sich, dass Colin sich wieder seinen Büchern zugewandt hatte. Wie beiläufig ging Tyler zu dem Zimmer und trat ein. Er fragte |81| sich, ob er dort im Spiegel abermals eine leicht abweichende Wirklichkeit sehen würde, doch was er zu sehen bekam, war … nichts.
    Der Spiegel war fort.
    Und nicht nur der: Das ganze Möbelstück war fort. Geblieben waren nur noch das staubige Bett und ein eckiger Schatten an der Tapete, der erkennen ließ, wo die Waschkommode mit dem Zauberspiegel gestanden hatte.
    Tyler war zumute, als hätte ihm ein Schwergewichtsboxer einen Schlag in die Magengrube verpasst. Er brauchte mindestens eine Minute, bis er sich so weit erholt hatte, dass er wieder in die Bibliothek hinaustreten konnte.
    »Was ist eigentlich mit dem Waschdings da drinnen passiert?« Er stellte die Frage so gleichgültig wie möglich, doch er hörte das Zittern in seiner Stimme.
    Colin hob kaum den Kopf. »Was für ein Waschdings?«
    »In dem Zimmer da drüben. Gegenüber von dem Bild von Octavio. Da stand früher so eine Waschkommode.«
    Colin zog eine Grimasse: der vom Kleingeist gestörte große Denker. »Meine Mutter hat sie in ihr Zimmer bringen lassen. Sie hat gemeint, sie wäre antik und sollte pfleglicher behandelt werden.«
    Tyler biss sich auf die Lippe und zwang sich, den Mund zu halten.
Mrs. Needle hat den Spiegel.
Durch den Spiegel kam man zu Grace. Sie musste die Wahrheit kennen! Oder zumindest wissen, dass irgendetwas Besonderes daran war. Von wegen »antik« – an die Geschichte glaubte er keine Sekunde.
    Tyler war von der Mitteilung so geschockt, dass sein einziger Gedanke jetzt war, wieder hinaus an die frische Luft zu kommen. Den Waschkommodenspiegel hatte sich die Hexe gekrallt, und Colin Needle machte sich in der Bibliothek breit wie ein Besatzer. Es war alles zum Kotzen.
    |82| »Schon genug von den Büchern?«, bemerkte Colin, als Tyler vorbeiging. »Lieber wieder spielen?«
    »Klappe.« Er stieß mit der Schulter die Tür auf.
    »Das sieht dir ähnlich, Jenkins«, sagte der ältere Junge. »Du versuchst nicht mal, diesen Hof hier zu begreifen, du daddelst nur rum. Das wahre Genie von einem Mann wie Octavio Tinker verstehst du gar nicht. Du würdest

Weitere Kostenlose Bücher