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Die Geheimnisse Der Tinkerfarm

Die Geheimnisse Der Tinkerfarm

Titel: Die Geheimnisse Der Tinkerfarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams , Deborah Beale
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sich natürlich nicht. Sie lief los, holte sich von weiter hinten im Flur einen Stuhl und stieg darauf, um ebenfalls durch das Fenster gucken zu können. Es war ihr unangenehm, so dicht neben Stillman zu stehen und sein nach Limetten riechendes Erwachsenen-Aftershave |301| einzuatmen, aber sie wollte unbedingt wissen, was im Schlangenzimmer vor sich ging.
    Eine Sekunde später hatte sie das Gefühl, es wäre besser gewesen, sie hätte es nicht erfahren.
    Das Krankenbett stand immer noch in der Mitte des Zimmers und Gideon lag immer noch darin, aber ansonsten erinnerte die Szene mehr an einen Horrorfilm als an einen normalen Abend auf der Farm. Der hagere alte Mann war mit den Handgelenken ans Bett gefesselt worden wie das kleine Mädchen in dem Film
Der Exorzist.
Er sträubte sich nicht wirklich gegen die Fesseln, aber seine tief in den Höhlen liegenden Augen waren mit einem Ausdruck animalischer Wut auf Mrs. Needle gerichtet.
    Oder vielleicht war es gar nicht Mrs. Needle, den er anstarrte, wurde Lucinda mit einem Mal klar. Vielleicht war es der große Mann mit dunklem Hut und Mantel, der ihn so in Rage brachte. Lucinda konnte das gut verstehen. Auch sie schnappte nach Luft und rang mit der Übelkeit, als sie dieses Gesicht wiedersah.
    Jackson Kingaree war in Gideons Haus zurückgekehrt.
    »Ich sollte ihn umbringen, den Verräter«, murmelte Stillman.
    »Sie kennen Kingaree?« Lucinda war entsetzt. Steckten sie denn alle unter einer Decke?
    »Wen?« So zornig, wie Stillman dreinschaute, hätte er sich glatt mit den Zähnen durch die Wand beißen können. »Nein, ich spreche von diesem kleinen Gauner da, diesem Dankle.« Und tatsächlich war der Anwalt gerade aus dem Schatten ins Licht getreten, wo Lucinda ihn erkennen konnte. Er war blass und schwitzte und sah fast so erschrocken aus wie sie.
    Dankle ging neben Gideons Bett auf und ab. Als er etwas sagte, konnte Lucinda es durch die Scheibe kaum verstehen. |302| »… dass Sie damit nicht durchkommen werden«, sagte er gerade heftig gestikulierend. »Vor Gericht, meine ich. Sehen Sie sich ihn doch an! Mr. Goldring ist eindeutig nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte.«
    »Aber Sie werden bezeugen, dass er das ist.« Kingarees Stimme war tief und rauh. Lucinda drückte sich näher ans Fenster. »Genau deshalb sind Sie hier. Und Sie stecken mittlerweile viel zu tief mit drin, um noch einen Rückzieher machen zu können.« Ein hässliches Grinsen erschien auf seinem Gesicht. »Oder irre ich mich da, Mr. Dankle?«
    »Ich will doch … ich sage ja gar nicht …« Der Anwalt war nur noch ein Nervenbündel. Er trat näher an Mrs. Needle heran, als ob sie ihn beschützen könnte. Aus diesem Winkel konnte Lucinda das große Buntglasfenster sehen, aber dort im hinteren Teil des Zimmers war es dunkel und die Einzelheiten des Bildes schlecht zu erkennen, so dass die Schlange an der einen Seite im Dämmerlicht eher wie eine dunkle Rauchsäule wirkte.
    Eine Schlange aus Rauch,
ging es Lucinda durch den Kopf,
g enau das ist Mrs. Needle. Voller Gift, aber man bekommt sie nie zu fassen, kann sie nicht festnageln!
    »Aber die Leute werden reden, nicht wahr?«, fuhr Dankle fort. »Vor allem wenn eine Zeugin durch die Testamentsänderung begünstigt wird.«
    »Verdammt!«, fluchte Ed Stillman ein wenig zu laut für Lucindas schwache Nerven, schließlich trennte sie nur eine alte Glasscheibe von den Verschwörern im Schlangenzimmer. »Du hattest recht, Mädel. Sie will das Testament zu ihren Gunsten ändern.«
    »Nein, nicht ich, sondern Colin«, erklärte Mrs. Needle dem Anwalt in begütigendem, vernünftigem Ton. »Ein Junge, den Gideon jahrelang wie seinen eigenen Sohn aufgezogen hat – |303| als seinen Erben. Und Sie sehen doch deutlich, dass Mr. Goldring nicht mehr in der Lage ist, die Farm zu leiten, Mr. Dankle. Es ist furchtbar, aber er hat völlig den Verstand verloren. Er würde nicht wollen, dass hier alles kaputtgeht, nur weil er … nicht gesund ist.«
    »Aber …« Der Anwalt schüttelte den Kopf, konnte ihr jedoch nicht in die Augen schauen. »Das ist ja alles gut und schön, Mrs. Needle, aber falls das Testament jemals angefochten …«
    »Wer sollte denn so etwas machen, Barnaby?«, flötete sie und beugte sich zu dem nervösen Dankle vor. »Die Jenkins-Kinder? Diese weit entfernten Verwandten, die Gideon selbst verjagt hat?« Sie musterte den Anwalt scharf. »Mr. Kingaree, würden Sie mir einen Gefallen tun? Ich habe Mr. Dankles sehr großzügiges Honorar oben

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