Die Geheimnisse Der Tinkerfarm
einen Molch von der Hand zu schütteln – einen Molch, auf dessen Haut |297| trotz des starken Regens winzige gelbe Flämmchen züngelten. »Meinst du, heute Abend geht die Welt unter? Weil anfühlen tut es sich so, das muss ich sagen.«
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EINE SCHLANGE AUS RAUCH
D euce, Cater, Sie bleiben hier«, wies Edward Stillman seine Männer an, als das Auto etwa dreißig Meter vor der Tür des Farmhauses anhielt. »Ich rufe Sie, wenn ich Sie brauche – aber dazu wird es wohl kaum kommen.«
»Ähm … Handys funktionieren hier nicht so gut«, bemerkte Lucinda. Stillman verdrehte die Augen und klopfte sich auf das Schulterhalfter unter der Jacke. »Ich habe auch noch eine Pistole.
Die
funktionieren hier doch, oder?«
Was habe ich mir bloß dabei gedacht?
Lucinda hatte auf einmal das sichere Gefühl, dass sie einen schrecklichen Fehler gemacht hatte, aber zur Umkehr war es zu spät. Was würde Onkel Gideon denken, wenn er herausfand, dass sie seinen schlimmsten Feind auf sein Grundstück geholt hatte?
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Aber Onkel Gideon ist nicht richtig bei sich,
dachte sie,
und die Farm ist in großer Gefahr, da muss ich das Risiko eingehen.
Sie stellte sich dem Milliardär in den Weg. »Nein! Keine Waffen! Sie müssen vorsichtig sein. Hier leben unschuldige Menschen. Tiere auch.«
Stillman bedachte sie mit einem kalten Lächeln. »Ich werde mich bemühen, daran zu denken, junges Fräulein.«
Sie ging in dem warmen Platzregen voraus die Auffahrt hinunter und dann um die Ecke zur Hintertür der Küche.
So weit, so gut,
dachte Lucinda, während sie mit ihm eintrat.
Wir sind im Haus, und Stillman hat keine Tiere oder sonst etwas gesehen, was er nicht sollte.
Aber wie lange konnte das gutgehen?
Sie ließ die Küche links liegen und brachte ihn stattdessen eine Treppe höher in einen entlegenen Flur, der an Mrs. Needles Zimmern vorbeiführte, doch ein unerwartetes Geräusch erschreckte sie. Jemand auf der Treppe? Vielleicht die Hexe selbst? Sie eilte weiter zum Ende des Flurs und dann dort die Treppe hinunter in den Gang im Erdgeschoss hinter dem Schlangenzimmer. Gideon schlief vermutlich dort drinnen, was die Wahrscheinlichkeit erhöhte, auf Mrs. Needle zu stoßen. Das aber wollte Lucinda unbedingt vermeiden, jedenfalls bis sie klarer sah, wie die Lage war. Aber was sollte sie tun? Was hatte sie für einen Plan? Sie machte Tyler immer den Vorwurf, dass er loszog, ohne alles durchdacht zu haben, aber jetzt hatte sie genau dasselbe getan, und ihr ging langsam auf, wie gefährlich es war, mit dem bewaffneten Ed Stillman durch dieses weitläufige, verwinkelte Haus voller Menschen zu streifen.
Überhaupt, was war, wenn Mrs. Needle und Stillman einfach ein Geschäft miteinander machten? Warum sollte der Milliardär Gideon helfen, wo er doch nichts sehnlicher wünschte, als Gideon loszuwerden?
Nein,
erkannte sie,
das war eine dumme Idee, und sie wird mit jeder Sekunde dümmer!
|300| Sie wandte sich an Edward Stillman. »Ich glaube, ich bin falsch gegangen«, sagte sie leise. »Dieses Haus kann einen echt verwirren – Sie wissen wahrscheinlich selbst noch, wie groß es ist. Wir gehen lieber wieder nach draußen und schauen, dass wir woanders reinkommen.« Falls nötig konnte sie ihm weglaufen und sich irgendwo verstecken. Nach all der Zeit kannte sie sich vermutlich doch besser aus als er. Und danach? Ach, bestimmt würde Simos Walkwell nicht zulassen, dass Stillman und seine Leibwächter einfach auf dem Gelände herumstromerten.
»Nein.« Stillman packte sie mit überraschend starkem Griff am Arm. »Nein, das werden wir nicht. Hinter dieser Wand hier höre ich Stimmen.« Er erspähte ein breites Möbelstück, das einsam und vergessen an der Wand stand, weit von jedem Eingang entfernt, obwohl es offensichtlich eine Flurgarderobe war. »Und hinter dieser Garderobe ist eine Tür.«
»Die Tür ist zugenagelt«, flüsterte Lucinda. Das stimmte: Sie hatte sie einmal vom Schlangenzimmer aus zu öffnen versucht, und es war nicht gegangen.
»Kann gut sein, aber oben in der Tür ist ein Zierfenster. Wenn ich mich da draufstelle, kann ich drüben ins Zimmer schauen und sehen, wer da ist.«
Er kraxelte auf die Flurgarderobe, bevor ihr ein Grund einfiel, mit dem sie ihn davon hätte abhalten können. Er drückte sein Gesicht an die Scheibe, und seine Augen wurden weit. Mit rauher Stimme flüsterte er: »Ja, hol mich doch der …!«
»Was ist? Was?« Sie war so aufgeregt, dass sie ihn am liebsten angeschrien hätte, aber das traute sie
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