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Die Geheimnisse der Toten

Die Geheimnisse der Toten

Titel: Die Geheimnisse der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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möchten, brauchen Sie eine Erlaubnis, die nur der Minister ausstellen kann.»
    Sie sah Abbys Enttäuschung und fragte in milderem Tonfall: «Haben Sie vielleicht gehofft, dort unten wäre Konstantins Sarkophag zu finden?»
    «So etwas in der Art.»
    «Diese Möglichkeit habe ich selbst in Betracht gezogen. Aber im Fall einer Entdeckung hätte Professor Firath natürlich Bericht erstattet.» Sie lächelte wieder. «Armer Konstantin. Es wäre wohl besser gewesen, er hätte sich wie ursprünglich geplant in Rom beisetzen lassen. Seine Grabstätte wäre bestimmt erhalten geblieben, und die Grabbeigaben lägen jetzt sicher aufbewahrt im Vatikanischen Museum.»
    Abby blinzelte.
    «Ich kann Ihnen nicht ganz folgen …»
    «Konstantin hat erst zu einem sehr späten Zeitpunkt seines Lebens beschlossen, sich in Konstantinopel bestatten zu lassen. In Rom hatte er sich bereits ein Mausoleum bauen lassen, das heute noch steht, und zwar im Stadtteil Tor Pignattara. Als aber seine Mutter, die Kaiserwitwe Helena, starb, wurde sie statt seiner dort beigesetzt. Ihr Sarkophag ist im Vatikanischen Museum zu sehen.»
    Sie sprach weiter, doch Abby hörte nicht mehr hin. In Gedanken spulte sie die Namen und Daten ab, die sie in den letzten Tagen gehört hatte.
    CONSTANTINUS INVICTUS IMP AUG XXI.
    Mit der Zahl ist anscheinend das Jahr der Herrschaft Konstantins gemeint. Das Gedicht müsste demnach 326 oder 327 entstanden sein. Was auch immer uns das hilft.
    «Wann genau hat Konstantin entschieden, wo man ihn beisetzen sollte?», fragte sie.
    «Seine Mutter starb 328. Soweit wir wissen, hat er mit dem Bau seines Mausoleums in Konstantinopel neun Jahre später begonnen, also kurz vor seinem Tod.»
    Abby spürte, wie trocken ihr Mund geworden war. Sie konzentrierte sich auf die Fakten.
    «Wenn also jemand im Jahr 326 Konstantins Mausoleum beschrieb …»
    Yasemin Ipek vervollständigte den Satz: «Dann hat er mit Sicherheit das Mausoleum in Rom gemeint.»
    «Und das gibt es noch, wie Sie sagen.»
    «Ja, es steht am Stadtrand von Rom. Es ist allerdings nur noch eine Ruine.» Sie lächelte. «Wenn Sie an unterirdischen Gängen interessiert sind, wäre es ratsam, Sie würden sich dort umschauen. Unmittelbar neben den Ruinen befindet sich übrigens die Katakombe der Heiligen Marcellus und Peter.»
    «Entschuldigen Sie mich.»
    Im Laufschritt verließ Abby die Bibliothek. Connie wartete im Flur und gab sich interessiert an osmanischen Vasen. Als sie Abby kommen sah, stellte sie sich ihr in den Weg.
    «Wir sind am falschen Ort.»

[zur Inhaltsübersicht]
    44
    Konstantinopel – Juni 337
    Ich sitze allein in meinem Arbeitszimmer und kratze auf einem Pergament. Aufgewacht bin ich schon vor dem Morgengrauen; einzuschlafen war mir nicht mehr möglich. Die Enge in meiner Brust lässt mich nur schwer atmen. Es ist, als versuche sich etwas Schweres aus meinem Herzen zu lösen. Aufgestanden bin ich, als die Schwalben ihre schreienden Jungen in dem Nest unter meiner Kolonnade zu füttern anfingen.
    Der Albtraum, der mich gefangen hält, kann nur auf eine Weise enden. Das Gespräch mit Asterius am gestrigen Abend hat vieles, woran ich geglaubt habe, zutiefst erschüttert. Jetzt habe ich mich wieder in die Ruinen meiner eigenen Gedächtniskammer zurückgezogen und greife nach Erinnerungsstücken, die zwischen meinen Fingern zerfallen.
    Die ganze Stadt ist wie ausgestorben. Bäder und Märkte haben geschlossen, die Pforten des Hippodroms sind verriegelt. Von meinem Schreibpult aus kann ich die Leute auf der Straße vorbeiziehen hören; sie weinen und schluchzen wie um den Verlust eines eigenen Kindes. So geht es schon seit zwei Wochen. Heute Abend aber wird alles vorüber sein. Dann wird Konstantins Leichnam in den großen Sarkophag aus Porphyr gelegt, der in seinem Mausoleum zwischen den zwölf Aposteln Christi auf ihn wartet. Was sie sagen werden, wenn sie erfahren, wer ihr neuer Gefährte in der Ewigkeit ist, kann ich mir nicht vorstellen.
    Heute geht es zu Ende. Ich sitze hier in meiner weißen Toga. Meine Haare sind gewaschen, meine Stiefel poliert. So werde ich zur Beisetzung erscheinen. Constantius, Konstantins zweitältester Sohn, ist aus Antiochia zurückgekehrt. So schnell, wie er hier war, sollte man meinen, in Kleinasien ernährt man sich ausschließlich von Pferdefleisch. Die Meinungsverschiedenheit, die Flavius Ursus in Unruhe versetzt hat, ist nicht öffentlich geworden. Ich würde mir gern einreden, dass auch ich dazu beigetragen habe, glaube

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