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Die Geheimnisse der Toten

Die Geheimnisse der Toten

Titel: Die Geheimnisse der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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war, das sich Konstantin hatte errichten lassen. Sein Sohn Constantius hatte eine kreuzförmige Kirche hinzugefügt, in der bis 1028 alle byzantinischen Herrscher beigesetzt worden waren.
    Der Artikel verwies auf weitere Quellen, so zum Beispiel auf eine zeitgenössische Beschreibung des Mausoleums, verfasst von Bischof Eusebius, dem Biographen Konstantins.
    Das Gebäude ist überwältigend hoch und über und über mit Edelsteinen besetzt, die in allen Farben leuchten. Das vergoldete Dach spiegelt die Sonnenstrahlen und blendet den Betrachter noch über Meilen hinweg.
    Das klang durchaus nach einem Ort, an dem wertvollste Schätze aufbewahrt sein mochten. Abby studierte spätere, weniger blumige Texte und blätterte durch Seiten voll wilder Spekulationen und Mutmaßungen. Anscheinend war es nach Eusebius keinem Historiker gelungen, zusätzliche Informationen über das Mausoleum hinzuzufügen, und inzwischen war längst die Moschee an seine Stelle getreten.
    Ganz zuunterst im Stapel lag eine archäologische Zeitschrift mit Eselsohren. Ihr konnte Abby entnehmen, dass man in den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts Ausgrabungen vorgenommen und unter dem Vorplatz der Moschee Reste einer byzantinischen Zisterne freigelegt hatte. Außerdem war zu erfahren, dass der mihrab – die heilige Nische im Innern der Moschee, die Gläubigen die Gebetsrichtung nach Mekka vorgibt – nicht wie sonst üblich in die Außenmauer eingelassen war. Architektonische Anomalien oder Asymmetrien, so der Verfasser, seien häufig dort anzutreffen, wo auf alten Fundamenten Neubauten errichtet wurden; sie ließen Rückschlüsse auf das Darunterliegende zu.
    Dieser Hinweis löste einen Gedanken aus, der Abby selbst ein wenig asymmetrisch vorkam. Er nagte an ihr, aber sie konnte ihn nicht in Worte fassen. Sie las weiter.
    Während der in den fünfziger Jahren fortgesetzten Ausgrabungen entdeckte der Direktor des Amtes für byzantinische Gräberpflege unter dem Mihrab der Moschee eine byzantinische Kammer, die vom Keller des Mehmed-Mausoleums über einen Tunnel zu erreichen ist.
    Abby starrte vor sich hin. Ihr schwirrte der Kopf. Am ganzen Körper zitternd, las sie den letzten Satz des Artikels.
    Vielleicht wurde die letzte Ruhestätte Kaiser Konstantins endlich ausfindig gemacht.
    Abby suchte den Bibliothekar auf und schenkte ihm ihr verführerischstes Lächeln.
    «Gibt es hier in Istanbul ein Amt für byzantinische Gräberpflege?»
    Er nickte. «Es ist der städtischen Museumsverwaltung angeschlossen.»
    «Wo finde ich den Direktor?»
    Der Bibliothekar zeigte sich überrascht. «Hier in diesem Haus, eine Etage weiter oben. Soll ich Sie anmelden?» Nach kurzem Zögern nickte sie. Der Bibliothekar griff zum Telefonhörer. «Einen Moment, bitte.»
    Nur wenige Minuten später hörte Abby Stöckelschuhe klappern. Die Tür ging auf, und eine große, betörend schöne Frau mit langen schwarzen Haaren und elegantem, dunklem Kleid trat ein. Lippen, Fingernägel und Schuhe waren knallrot, die Augen aquamarinblau. Angesichts dieser Schönheit fand sich Abby ganz und gar farblos.
    «Dr. Yasemin Ipek», stellte sich die Frau vor und fügte, als sie Abbys Zweifel bemerkte, hinzu: «Ich leite das Institut für byzantinische Gräberpflege.»
    Dass sie durch uralte, düstere Grüfte kroch, konnte sich Abby kaum vorstellen.
    «Habe ich richtig verstanden, dass Sie sich für die Grabstätte Konstantins des Großen interessieren?» Sie lächelte. «Es gibt viele Gräber der Antike hier bei uns. Seines aber ist leider seit Jahrhunderten unauffindbar.»
    Abby deutete auf den Artikel und zitierte den letzten Satz. «Es heißt, direkt unter dem Allerheiligsten der Moschee befände sich eine byzantinische Kammer.»
    Dr. Ipek nickte. «Von dieser Ausgrabung habe ich gelesen. Einer meiner Amtsvorgänger, Professor Firath, führte sie kurz nach dem Krieg durch. In der Krypta des Mehmed-Mausoleums sieht man immer noch den Bretterverhau, der einen dahinterliegenden Gang versperrt.»
    «Haben Sie ihn jemals geöffnet?»
    «Nie.»
    «Wissen Sie, ob man während der ersten Ausgrabungen in den vierziger Jahren irgendetwas gefunden hat? Irgendwelche Artefakte?»
    Dr. Ipeks freundliches Lächeln war wie weggeblasen. Sie warf einen diskreten Blick auf ihre silberne Armbanduhr.
    «Der Gang wurde aus sicherheitstechnischen Gründen geschlossen. Die Kammer liegt direkt unter einer tragenden Mauer der Moschee, und wir haben hier häufig Erdbeben. Wenn Sie die Kammer besichtigen

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