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Die Geheimnisse der Toten

Die Geheimnisse der Toten

Titel: Die Geheimnisse der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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Dinge, als ich ging.»
    «Worüber habt ihr miteinander gesprochen?»
    «Der Augustus hatte ihn beauftragt, irgendeine Historienschrift zu verfassen. Ich war, wie du dich vielleicht erinnerst, zweimal Präfekt in Rom, und er wollte mir ein paar Fragen zu meiner Amtszeit stellen.»
    «Worum ging es im Einzelnen?»
    «Um die von Konstantin gebauten Monumente. Den Triumphbogen, den der Senat ihm gewidmet hat. Um kleinere Details.»
    «Hat er den Eindruck gemacht, dass er sich fürchtet? War er besorgt?»
    «Nein, nicht im Geringsten.»
    «Alexanders Sekretär sagt, er habe eine lederne Schatulle mit Dokumenten bei sich gehabt. Hast du sie gesehen?»
    «Ja … nein …» Porfyrius lässt den Kopf sinken. «Ich erinnere mich nicht.»
    Ich hole die Kette zum Vorschein, die Konstantin mir gegeben hat.
    «Kennt jemand von euch das hier?»
    Beide sind gezwungen hinzuschauen, lassen sich aber nichts anmerken. Sie haben die höfische Etikette so verinnerlicht, dass sie nicht einmal dann mit der Wimper zucken würden, wenn ich ihnen die Köpfe ihrer Mütter vor die Nase hielte.
    Porfyrius steht auf und kommt näher, um das Amulett in Augenschein zu nehmen.
    «Sieht aus wie das Monogramm des Kaisers. Mit einem Unterschied.»
    Er hat recht. Konstantins Zeichen ist ein P mit überlagertem X. Das Amulett der Kette aber zeigt, leicht verändert, die Verschmelzung des Buchstaben P mit einem aufrechten Kreuz. Das hätte mir eigentlich sofort auffallen müssen.
    «Hast du in der Bibliothek niemanden gesehen, der dieses Zeichen trug?»
    Porfyrius schüttelt den Kopf. Symmachus blickt nur finster drein.
    «In der Bibliothek verkehren keine Frauen», sagt Porfyrius.
    «Aber jede Menge Christen.» Symmachus steht zur Hälfte im Schatten. Die eine Seite seines Gesichts schimmert golden, die andere ist abgedunkelt. «Eusebius von Nikomedia. Der Sophist Asterius. Zahllose Priester und deren Jünger.»
    «Könnte ein Christ einen Glaubensbruder töten?»
    Ich höre jetzt Symmachus zum ersten Mal lachen. Es klingt nicht schön, vielmehr so, als würde Marmor zersägt. Schließlich räuspert er sich Schleim aus dem Rachen und sagt: «Könnte eine Eule Mäuse fangen? Der Philosoph Porfyrius hat es auf den Punkt gebracht: ‹Die Christen sind ein verwirrter und bösartiger Haufen.› Vor dreißig Jahren wollten wir sie noch ausmerzen. Hätte ich es damals darauf angelegt, Alexander zu töten, wäre ich dafür gefeiert worden. Aber das Blatt hat sich gewendet. Sie töten ihren eigenen Gott – und was würden sie nicht noch alles tun, um ihre Privilegien zu schützen?»
    Er ließ wieder sein kreischendes Lachen vernehmen. «Es sind ja doch auch nur Römer.»

[zur Inhaltsübersicht]
    7
    York – Gegenwart
    Die Stadt lag auf einem Hügel vor der Mündung zweier Flüsse. An der höchsten Stelle ragten die eckigen Türme des Münsters empor. Sie wurde umringt von hohen Mauern, die zwar den Angriffen der Pikten, Wikinger, Normannen und Schotten hatten widerstehen können, nicht aber dem Autoverkehr, der jetzt durch ihre Pforten strömte. Am Flussufer, wo früher Werften und Lagerhäuser betrieben wurden, drängten sich jetzt noble Apartmenthäuser und schicke Restaurantketten.
    Kaum hatte Abby den Zug verlassen, mit dem sie vom King’s Cross gekommen war, spürte sie den Unterschied. In London war es eng und warm, es war aufgeladen von der Reibung von zehn Millionen Menschen. Hier trieb ihr die Kälte das Blut ins Gesicht. Feiner Nebel legte sich auf ihre Wangen, und die Wolken am Himmel ließen heftige Regenschauer erwarten.
    Sie verließ den Bahnhof, durchquerte die Stadtmauer, wo sie von der Station Road durchbrochen wurde, und kam an den dunkelbraunen Grabsteinen eines schon vor langer Zeit aufgegebenen Friedhofs vorbei, verdrängt von der neuen Umgebungsstraße. Jenseits der Brücke ging Abby bergan auf die große mittelalterliche Kathedrale zu, das Münster. Es war gebaut worden, um in seinen Dimensionen die menschliche Vorstellungskraft zu sprengen, und wirkte nunmehr fast nur noch fremdartig, wie der riesenhafte Besucher einer außerirdischen Zivilisation.
    Die Saison ging dem Ende entgegen, aber noch scharten sich etliche Urlauber vor den Eingangsstufen. Ein Straßenmusiker spielte Ragtime auf einem entkleideten Klavier, ein Mann in römischer Legionärstracht bot sich für Schnappschüsse mit Touristen an. Hinter ihm hockte ein grünspanbronzener Kaiser auf seinem Thron und blickte versunken auf das Heft eines zerbrochenen Schwerts.
    Der

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