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Die Geheimnisse der Toten

Die Geheimnisse der Toten

Titel: Die Geheimnisse der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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die in einen oktogonalen Anbau führt. Simeon wirkt befangen. Ich frage mich, ob er Eusebius fürchtet oder sich wegen meiner Anwesenheit in der Kirche Sorgen macht. Wie dem auch sei, kaum jemand nimmt von uns Notiz. Der Raum, den wir betreten, ist voller Männer, die sich entkleiden und unbekümmert miteinander plaudern. Mir ist, als hätten wir ein Badehaus betreten. Wir befinden uns offenbar in jenem Teil der Kirche, in dem sich die Priester nach dem Gottesdienst umziehen.
    Eusebius ist ein korpulenter Mann mit schlaffen Wangen, einem Rest dünner Haare auf dem Kopf und wulstigen Lippen, die seltsam violett sind, als hätte er zu viele Beeren gegessen. Er steht in der Mitte des Raums, umgeben von Gehilfen, die ihm das lange goldene Gewand von den Schultern streifen. Ich bemerke, dass er mich erkennt, warte und sehe ihm an, dass er sich fragt, woher. Unsere Wege haben sich gekreuzt, aber ich glaube, wir erinnern uns beide gleichermaßen wenig gern daran.
    Ich helfe ihm auf die Sprünge: «Gaius Valerius.»
    «Gaius Valerius Maximus », tadelt er mich, als hätte ich meinen eigenen Namen vergessen, und betont Maximus wie eine Pointe. «Du warst in Nicäa, hast im Schatten gestanden und uns mit einer Hand am Schwert belauscht. Wir nannten dich Brutus. Wusstest du das? Jeder von uns hatte Angst, wegen eines Wortes, das dir missfallen würde, rücklings niedergestochen zu werden.»
    Das ist mir neu.
    «Vielleicht gibt es hier einen Ort, an dem wir uns ungestört unterhalten können.»
    Ein finsterer Blick. «Ich habe vor meinen Gemeindegliedern keine Geheimnisse.»
    Na schön. «Alexander von Cyrene starb gestern in der Ägyptischen Bibliothek. Der Kaiser …», ich lege Gewicht auf den Titel, um seine Macht auszudrücken, «der Kaiser hat mich mit der Aufklärung des Falles beauftragt.»
    «Und?»
    Seine Reaktion verblüfft mich. Erstens, weil sie jegliches Beileid vermissen lässt; zweitens, weil ihm offenbar gleichgültig ist, dass jeder seine Kälte spürt. Die Männer ringsum folgen unserem Gespräch wie einem Schlagabtausch zwischen Gladiatoren. Und nicht einer von ihnen – allesamt Christen – scheint den Tod von Bischof Alexander zu bedauern.
    «Alexander wollte dich sehen. Kurz darauf war er tot. In der Nähe seines Leichnams fand man eine Kette mit einem christlichen Monogramm.»
    Ich zeige ihm die Goldkette, die Konstantin mir gab. «Erkennst du sie wieder?»
    Eusebius sieht aus wie eine Vogelscheuche, als er sich mit hocherhobenen Armen im Kreis dreht, damit ihm seine Messdiener die Robe abnehmen können. «Nein. Außerdem war ich gestern nicht in der Bibliothek.
    «Aurelius Symmachus hat dich dort gesehen.»
    «Aurelius Symmachus», lispelt er absichtlich, um den Namen zu entstellen. «Kennst du seine Geschichte? Während der Zeit Diokletians war er einer der ersten Organisatoren der Christenverfolgung. Er hat so viele Märtyrer auf dem Gewissen, dass sie alle kaum Platz im Himmel haben. Auch Alexander wäre ihm vor dreißig Jahren fast zum Opfer gefallen. Vielleicht wollte er zu Ende bringen, was ihm damals nicht gelungen ist.»
    Wenn ich Alexander hätte töten wollen, wäre mir das damals ein Leichtes gewesen, und man hätte mich als Held gefeiert.
    «Symmachus sagt, er habe dich in der Bibliothek gesehen», insistiere ich. «Willst du behaupten, er lügt?»
    Eusebius blickt mir ins Gesicht. Ohne seinen Ornat treten die dicken Speckfalten unter dem Chorhemd deutlich hervor.
    «Als ich in die Bibliothek kam, war Alexander schon tot.»
    «Hast du die Leiche gesehen?»
    «Ich hörte nur, dass er tot ist, und machte gleich wieder kehrt, denn ich hatte keinen Grund mehr zu bleiben.»
    «Du hättest doch helfen können.»
    «Christus sagt: ‹Lasset die Toten ihre Toten begraben.› Es ist kein Geheimnis, dass Alexander und ich Differenzen hatten. Wäre ich geblieben, hätten mir alle unterstellt, Krokodilstränen zu vergießen.» Ich will mich gerade von ihm abwenden, als er sich reuig zeigt und schnell hinzufügt: «Ich ziehe es vor, im Stillen zu trauern.»
    In einer Hinsicht glaube ich ihm aufs Wort. Von dem, was er an Trauer vortäuschen kann, lässt sich niemand hinters Licht führen.

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    13
    London – Gegenwart
    ARCUMTRIUMPHISINSIGNEMDICAVIT. Freitag 17h. Ich kann helfen.
    Abby eilte im Laufschritt zurück in den Lesesaal und hielt nur kurz an, um der Kontrolle ihren Ausweis zu zeigen. Sie setzte sich an den Computer und gab die Buchstabenfolge in die Suchmaschine ein.
    «Es

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